Inklusive/diskriminierungsfreie Sprache

Sprache formt zumindest in gewissem Maße das Denken. Außerdem drückt sich in der Sprache immer auch das Verhältnis von Schreiber und Leser aus. Man kann so schreiben, dass man sich mit dem Leser auf Augenhöhe befindet oder man kann den Leser herabwürdigen. Deshalb sollte eine inklusive Sprache angestrebt werden – no reader left behind, um einen berühmten Slogan abzuwandeln.
Wir sind uns selten bewusst, wie stark Klischees und bestimmte Vorstellungen unsere Ansichten beherrschen. Im ersten Schritt sollten wir uns darum bemühen, uns dieser Vorurteile bewusst zu werden und sie nach Möglichkeit aus unseren Texten entfernen.

Techniken zum finden von klischees

An den Rollstuhl gefesselt fliesst einem locker aus der Tastatur, aber wenn tatsächlich jemand am Rollstuhl gefesselt wäre, würde man die Polizei rufen. Blinde können meistens nicht besser hören als Sehende, sie trainieren ihr Gehör nur zwangsläufig besser. Gehörlose Menschen sind nicht ubedingt taubstumm und Autisten sind auch nicht unbedingt so wie der Typ aus Rainman.
Im Grunde gibt es nur eine Technik, solche Klischees aus seinem sprachlichen Werkzeugkasten zu verbannen: der Giftschrank. Viele – wenn nicht alle – Zeitungsredaktionen haben eine Art schwarze Liste von Wörtern und Phrasen, die nicht eingesetzt werden sollen. Das Corporate Wording in Unternehmen ist sozusagen das Gegenstück dazu, eine Liste von Begriffen, die durchgehend eingesetzt werden sollen.
Es ist selten böse Absicht, wenn solche Klischees zum Einsatz kommen. Deshalb muss man sich in erster Linie darüber bewusst werden, dass man solche Klischees mit sich herum trägt.

Klischees werden auch im Bezug auf andere Gruppen geäußert: Die klauenden Zigeuner, die Alkoholiker-Obdachlosen, die faulen Arbeitslosengeld-Empfänger. Diese Klischees bestimmen oftmals auch unser Verhalten gegenüber diesen Gruppen. Es ist daher ein Zeichen von Humanismus, wenn wir sie aufgeben und unsere Texte entsprechend gestalten.

Was ist eigentlich ein Klischee

Manchmal ist es schwierig, Klischees zu entdecken. Für mich ist es eigentlich schon ein Klischee, wenn Behinderte als Opfer dargestellt werden. Tatsächlich sind sie oft Opfer. Aber sie sind auch handelnde Subjekte und die Darstellungen sollten sich auch irgendwie die Waage halten. Fast ebenso nervend sind Geschichten, die mit dem Satz beginnen könnten: „Trotz seiner Behinderung hat er…“.
Das andauernde Leiden ist sicher ein Klischee. Natürlich leidet jeder ab und zu unter einer Behinderung, aber er leidet auch an der Blödheit des Journalisten, der ihn als Dauerleidenden stilisiert. Die richtige Einstellung heißt: „Ich bin behindert – na und?“.
Du solltest dir also antrainieren, sämtliche sprachlichen Metaphern, die du niederschreibst auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu analysieren. Lass alles weg, was negative Assoziationen weckt und achte insbesondere auf Adjektive wie leidend, gefesselt… Stelle den Behinderten nicht als ein Objekt dar. Vermeide kollektive Zuschreibungen. Falls in deinem Kopf ein Gedanke aufblitzt wie „Alle Blinden sind… also ist dieser blinde auch …“, sollten bei dir sämtliche Alarmglocken läuten. Normalerweise beschreibt man eine bestimmte Person in einer bestimmten Situation, also sollte man sich auf diese Umstände beschränken und jede Art überflüssiger Zuschreibung vermeiden.

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