Langsam essen, gut kauen und abnehmen

Wer hätte das gedacht, nach tausend Diäten, unzähligen teuren Produkten und kruden Sportprogrammen kann Abnehmen so leicht und günstig sein. Kaue dein Essen, bis es flüssig ist und du wirst nachhaltig abnehmen.

Essen schmeckt ganz anders, wenn es lange gekaut wurde. Ich glaube, ich habe mein kulinarisches Leben vertan, indem ich 33 Jahre lang mein Essen praktisch nur im Mund zerkleinert habe. Vielleicht lernen wir jetzt endlich, unser Essen zu genießen, statt uns vollzustopfen.
Tricks zum langsamen Essen
Zunächst musst du dich zum langsamen Essen erziehen. Das klappt am besten, wenn du zunächst kleinere Portionen nimmst.
Nach meiner Erfahrung funktioniert folgendes am besten: Zerkaue das Essen solange, bis es ein Brei ist. Danach lässt du es durch den Mund und insbesondere über die Zunge gleiten, denn dort entfaltet sich der Geschmack. Du lässt das Essen solange im Mund, bis es größtenteils flüssig ist. Dann lässt du es trotzdem auf der Zunge, bis du nicht mehr länger kannst und es runterschlucken musst.
Nimm immer möglichst kleine Bissen, je kleiner, desto besser. Da du länger brauchst, um den Teller leer zu bekommen – falls du das überhaupt schaffst, solltest du immer weniger nehmen, als du gerne möchtest. Nimm gegegebenenfalls einen kleineren und flacheren Teller und Besteck. Nimm Essen zu dir, das länger gekaut werden muss wie etwa dunkles Brot oder Obst. Fast Food ist praktisch magenfertig weich und erfordert wenig Kauarbeit. Das gilt für die meisten Dinge, die lange und matschig gekocht wurden. Deshalb sollten Nudeln, Reis und so weiter eher al dente als butterweich gekocht werden.
Heißes, bitteres, saures oder scharfes Essen sind nicht zum langsamen Kauen geeignet. Scharf, sauer und bitter wirken auf Dauer unangenehm. Ich würde außerdem einfache Lebensmittel bevorzugen und nicht zu viele Zutaten für das Kochen verwenden.
Außerdem solltest du dein Essen „strecken“. Das geht mit Gemüse, Salat und ähnlichen kalorienarmen Lebensmitteln. Ist dir schon mal aufgefallen, dass du im Restaruant deutlich weniger Hunger hast, wenn es eine Vorsuppe oder andere Vorspeise gab?
Ich halte es auch für sinnvoll, gutes Fett in das Essen zu machen, zum Beispiel Olivenöl, wobei Olivenöl nicht zum Kochen verwendet werden soll. Der Vorteil besteht darin, dass das Fett ein Geschmacksverstärker und Geschmacksträger ist und außerdem für eine schnellere Sättigung sorgt.
Wenn du es partout nicht schaffst, kannst du auch folgenden Trick anwenden: Nimm einen Bissen von deinem Brot oder Müsli, steh auf und lauf während des Kauens im Raum herum. Das geht natürlich nur zuhause, funktioniert aber gut. Alternativ kannst du regelmäßig das Besteck ablegen und einen Schluck Wasser trinken. Bei trockenen Speisen passiert es schnell, dass der Mund beim Kauen austrocknet. Das beste ist natürlich, sich Leute einzuladen, mit denen man während des Essens sprechen kann. Man spricht nicht mit vollem Mund und nimmt automatisch kleinere Bissen, um Zeit zum Antworten zu haben. Hat jemand schon mal den Zusammenhang zwischen Gewichtszunahme und Alleinessen untersucht?
Du wirst dein Essen ganz neu kennenlernen. Die meisten Geschmacksnoten entfalten sich erst durch die Enzyme aus dem Speichel. Brot schmekct ganz anders, wenn es lange gekaut wurde.
Du wirst sehr schnell feststellen, dass du bei einer Mahlzeit mit wesentlich weniger Nahrung auskommstt. Außerdem hält dich das Essen länger satt, obwohl du weniger gegessen hast.
Ritualisierung des Essens
In vielen Kulturen gibt es aufwendige Zeremonien bei der Zubereitung oder dem Konsum des Essens. Fast Food ist sozusagen das böse Gegenstück dazu. Ich habe mich immer gefragt, was wohl der Sinn dieser komplexen Teezermonien in Japan und ähnlich aufwendige Geschichten bedeuten mögen.
Ich glaube heute, dass es etwas damit zu tun hat, seine Nahrung werzuschätzen. Natürlich muss man keine Zeremonie inzszenieren, um sein Essen aufzunehmen. Aber schon das gemeinsame Mittag- und Abendessen mit der Familie ist eine solche wertvolle Zeremonie. Es geht darum, das Essen wertzuschätzen statt nur zu konsumieren. Am Ende werden aus Überzeugung zu besseren Lebensmitteln greifen statt uns mit Antimatschtomaten und Pestizid-Paprika vollzustopfen. Jedes Volk hat die Nahrung, die es verdient.
Warum funktioniert das?
Die meisten Menschen vermuten, dass es daran liegt, dass der Magen erst nach 20 Minuten die Botschaft an das Gehirn sendet, dass er jetzt genug hat. Ich glaube nicht, dass das alles ist. Wenn du 100 Mililiter Öl schlucken könntest würdest du schnell feststellen, das du nichts mehr essen kannst, eher wird das Öl wieder rauswollen.
Ich vermute, dass es vor allem mit dem Blutzuckerspiegel zusammenhängt. Selbiger steigt in die Höhe, sobald kohlenhydrathaltige Lebensmittel gegessen werden. Wenn er schnell steigt und wieder sinkt, hat das negative Auswirkungen auf den Hunger. Die Tafel Schokolade ist oft nach zehn Sekunden verdrückt und lässt den Blutzucker wegen des hohen ZuckerAnteils schnell ansteigen und steil abfallen. Der Blutzucker spielt eine entscheidende Rolle beim Sättigungsgefühl und sehr wahrscheinlich auch beim Abnehmen. Je stabiler er ist, desto wohler fühlen wir uns. Eventuell gibt es noch einen Zusammenhang zum Blutdruck, aber darüber möchte ich nicht zuviel spekulieren.
Das wirft auch ein Schlaglicht auf die Ernährungsweise in anderen Ländern. Wir kennen alle die Emfehlungen zur südeuropäischen Küche, wir sollen mehr Fisch und Kerne essen. Allerdings ist das ein großer Mythos. Es gibt z.B. kaum eine fleischlastigere Küche als die griechische. Generell legt man im Süden und fast überall sonst mehr Wert auf gute Lebensmittel als in Deutschland. Natürlich ist man praktisch überall Junk, aber die Esskultur ist überwiegend anders. Hier wird man schräg angeguckt, wenn der Kantinenfraß nach zehn Minuten nicht verdrückt ist, in anderen Ländern ist die Mahlzeit gleichzeitig Nahrungsaufnahme und Kommunikation. Mag sein, dass man in vielen Stunden mehr Kalorien zu sich nimmt, aber so langsam, dass es für den Körper gut verträglich ist. Vielleicht kennst du Raqulette oder Fondue, das Prinzip funktioniert ähnlich.
Das langsame Essen hat zur Folge, dass der Blutzuckerspiegel vor allem bei wenig zuckerhaltigen Lebensmitteln stabil bleibt, dadurch erhält sich das Sättigungsgefühl. Eventuell hat auch der intensivere Speichelfluss eine Rolle bei der Verdauung. Viele Menschen wissen nicht, dass die Verdauung bereits im Mund beginnt mit den Enzymen aus dem Speichel. Appetit und Hunger hängen nicht so stark zusammen, wie wir das immer glauben. Bist du schon mal so nervös gewesen, dass du nichts essen konntest und erst nach dem Bewerbungsgespräch, der Prüfung oder was auch immer wieder Appetit hattest?
Auch eine hormonelle Erklärung ist denkbar. Schnellesser stehen oft objektiv oder subjektiv unter Streß. Schnelles Essen ist schließlich auch für den Körper ein Streßsymptom. Früher war der Körper unter Streß, wenn eine kritische Situation drohte, das heißt, wenn das eigene Leben in Gefahr war. Für diesen Zustand ist es für den Körper von Vorteil, mehr Energie zu speichern, um für kritische Situationen gewappnet zu sein. Das schnelle Essen signalisiert dem Körper also, dass es eine kritische Situation gibt und er mehr Energie speichern muss. Umgekehrt entsteht durch das langsame Essen das Gefühl, alle Zeit der Welt zu haben. Der Körper erhält den Eindruck, dass Essen nicht knapp ist bzw. keine kritische Situation vorliegt und speichert daher weniger Energie.
Ich glaube, dass viele Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck unter anderem auf das schnelle Essen zurückgehen. Es mag hier aber auch umgekehrte Kausalitäten geben, wer ohnehin hohen Blutdruck hat, neigt auch zum schnellen Essen.
Ein letzter Tipp: Versuche, die Mahlzeiten so lange wie möglich zu dehnen. Das geht am Fernseher nicht so gut, weil man oft nur auf die nächste Werbung wartet. Obwohl, die meisten Leute schauen heute ohnehin DVDs. Lass dich aber nicht von Mikrowellen, Kaffeemaschinen, Telefonen oder nervigen Freunden hetzen. Lade dir ansonsten weniger Essen auf deinen Teller. Wichtig ist auch, weniger zu kochen als man das sonst tun würde. Wenn etwas übrig bleibt, sollte es eingefroren und nicht weggeworfen werden.
Durch diesen Trick weicht man im übrigen auch einem anderen gefürchteten Problem des Abnehmens aus: dem Jojo-Effekt. Wer hungert, verliert in erster Linie Muskelmasse und Wasser, außerdem wird er schlaff, weil der Grundumsatz heruntergefahren wird. Im Endffekt nimmt er also weniger ab, sondern verdaut den eigenen Körper. Der Körper denkt, dass er in einer Krisenphase ist und sammelt erst einmal alle Kalorien ein, die er bekommen kann und zwar wochenlang, auch wenn wieder reichlich Essen zur Verfügung steht. Durch das langsame Essen kriegt der Körper jedoch it, dass es genug zu essen gibt und verzichtet auf das sparprogramm. Man sollte sich aber Zeit nehmen und keine Wunder erwarten. Schmeißt deshalb eure Waage weg und messt – wenn überhaupt – euren Bauchumfang.