DIE AFROAMERIKANISCHE BÜRGERRECHTSBEWEGUNG IN DEN USA – UND IHRE KRITIKER AUS DER SCHWARZEN COMMUNITY
„Dreckiger Neger!“ oder einfach nur
„Sieh mal, ein Neger!“
Ich kam auf diese Welt, darum bemüht, den Sinn der Dinge zu ergründen,
und meine Seele war von dem Wunsch erfüllt, am Ursprung der Welt zu sein,
und dann entdeckte ich mich selbst als Objekt unter anderen Objekten.Eingeschlossen in dieser erdrückenden Objektivität wandte ich mich flehend
an meinen nächsten. Sein befreiender Blick, an meinem Körper
entlanggleitend, der plötzlich keine Unebenheiten mehr hat, gibt mich, indem
er mich der Welt entfernt, der Welt zurück. Aber da unten, direkt am
Steilhang, strauchele ich, und der andere fixiert mich durch Gesten,
Verhaltensweisen, Blicke, so wie man ein Präparat mit Farbstoff fixiert. Ich
werde zornig, verlange eine Erklärung. Nichts hilft. Ich explodierte – hier
die Scherben, von einem anderen Ich aufgesammelt.
(Frantz Fanon Schwarze Haut – Weiße Masken)
?Abkürzungen
?1. Einleitung
?2.. Die Bürgerrechtsbewegung
?2.1. Die Entstehung der Bürgerrechtsbewegung
?2.2. Methoden und Ziele der Bürgerrechtsbewegung
?2.3. Der Marsch auf Washington
?2.4. Die Reaktion der weißen Gesellschaft
?2.5. Kings „späte Phase“ und das Ende der CRM
?3. Die Kritik der Radikalen
?3.1. Die Bürgerlichkeit der Bewegung
?3.2. Die Methode des gewaltlosen Widerstandes
?3.3. Black Power gegen Integration
?4. Zusammenfassung
?5. Schluß
?6. Literatur
?Anhang I: Die Tragödie von New Orleans
?Anhang II: Der Selbsthass der Schwarzen
Abkürzungen
BPP Black Panther Party
CORE Congress of Racial Equality
CRA Civil Rights Act
CRM Civil Rights Movement
NAACP National Association for the Advancement of Colored People
NUI National Urban League
SCLC Southern Christian Leadership Conference
SNCC Students Nonviolent Coordinationg Committee
NoI Nation of Islam
„Herein lie buried many things which if read with patience may show the strange meaning of being black here at the dawning of the Twentieth Century. This meaning is not without interest to you, Gentle Reader; for the problem of the Twentieth Century is the problem of the color line. I pray you, then, receive my little book in all charity, studying my words with me, forgiving mistake and foible for sake of the faith and passion that is in me, and seeking the grain of truth hidden there.&rdquo (W. E. B. DuBois (1904) : The Souls of Black Folk. http://xroads.virginia.edu/~HYPER/DUBOIS/toc.html Zugriff am 20.03.05)
DuBois sah das Rassenproblem als das entscheidende Problem des 20. Jahrhunderts an.Es wird auch das Problem des 21. Jahrhunderts sein, nicht nur für die USA, sondern für fast jeden größeren Staat der Welt. Denn fast jeder Staat ist mit dem Problem einer ethnischen oder religiösen Minderheit konfrontiert, welche ein Recht auf Selbstbestimmung, Selbstkontrolle und die Ausübung der eigenen Lebensweise einfordert. Auch wenn es sich dabei nicht um einen „Zusammenstoß der Kulturen&ldquo handelt, denn schließlich spielen dabei noch eine ganze Reihe weiterer Aspekte wie soziale Ungleichheit eine Rolle, werden diese Konflikte in unserem Jahrhundert eine entscheidende Rolle spielen.
Die USA spielen dabei eine besonders wichtige Rolle, denn schließlich handelt es sich bei ihr um eine der wenigen entwickelten Demokratien, die mit solch einem Problem seit langem konfrontiert ist, deshalb lohnt sich, deren Umgang mit diesem Problem näher zu betrachten. “
Wir wollen uns dabei auf die für die Afroamerikaner wichtigste Umbruchphase nach dem Bürgerkrieg konzentrieren. Dies war die Phase von 1954 – 1968, in der zwei Bewegungen, repräsentiert durch zwei Personen, besondere Bedeutung erlangten: Auf der einen Seite steht die Bürgerrechtsbewegung (im folgenden als CRM – civil rights movement bezeichnet), deren populärster Führer Martin Luther King war, auf der anderen Seite steht die Black-Power-Bewegung, in dieser Phase populär durch die Nation of Islam (im folgenden NoI), vor allem bekannt durch den populären Führer Malcolm X. “
Im Folgenden soll keine historische Darstellung der beiden Bewegungen erfolgen. Stattdessen soll zunächst die CRM anhand ihrer Methoden, ihrer Intentionen und ihrer Erfolge dargestellt werden. Im zweiten Teil erfolgt der Versuch, die Kritik, die vor allem von Malcolm X artikuliert wurde, systematisch darzustellen. Abschließend sollen einige Gedanken zur heutigen Situation in den USA folgen.
2.. Die Bürgerrechtsbewegung
In den 50er Jahren hatte sich die Situation der Schwarzen leicht verbessert, allerdings von einem sehr niedrigen Level, vor allem durch den Wirtschaftsboom im Gefolge der Kriege (Zweiter Weltkrieg und Korea) und dem Mangel an weißen Arbeitskräften. In den Ghettos hatte sich die Situation allerdings kaum verändert. In den Südstaaten galten die Jim-Crow-Gesetze, welche eine Aufteilung der Einrichtungen für Schwarze und Weiße legalisierte, das Motto war „getrennt aber gleich&ldquo (seperated but equal). Im Ergebnis wurden Schwarze in Restaurants nicht bedient, sie mussten in den Bussen hinten sitzen und das wichtigste – ihre Kinder hatten eigene Schulen. Diese waren sehr schlecht ausgestattet. Auch gab es formale Schranken, welche die Schwarzen an der Ausübung ihres passiven und aktiven Wahlrechts hindern sollten.
Im Norden hatte sich eine faktische Segregation durchgesetzt. Die Masse der Schwarzen lebten in Ghettos, in denen die Weißen als Ausbeuter (in den Geschäften) oder als „Ordnungsmacht“ in Form einer als gewalttätig und korrupt empfundenen Polizei auftraten.
Es gab zwar einige Organisationen wie die NAACP, die sich für Schwarze einsetzten, doch diese konzentrierten sich auf die formale Ebene und konnten die Masse der Schwarzen nicht anziehen.
2.1. Die Entstehung der Bürgerrechtsbewegung
Es spielen einige Gründe bei der Entstehung der CRM hinein: “
– Der Krieg gegen das nationalsozialistische Deutschland wurde (vorgeblich) geführt, um dien Holocaust an den Juden zu beenden. Es wäre natürlich als Heuchelei aufgefasst worden, wenn der Rassismus in anderen Staaten verurteilt wird, gleichzeitig aber im eigenen Land Gesetze gelten, welche die Menschen nach Rassen aufteilten.
– Als bedeutsam gilt auch die Dekolonisierung in den europäischen Kolonien. Ein Land nach dem anderen, in erster Linie afrikanische Staaten, kamen von den Europäern frei und begannen eine Rolle in der internationalen Politik zu spielen. “
– Auch die Ermordung eines schwarzen Jungen im Süden erregte national und international Aufmerksamkeit und zeigte anschaulich die Brutalität und den Fanatismus der Südstaaten. Ein weißes Gericht sprach die Täter frei, ein Vorgang, der nicht neu war, dem aber zum ersten Mal mediale Aufmerksamkeit zukam. “
– 1954 fiel auch das Urteil des Supreme Court (Brown vs. Board of Education of Topeka), welches feststellte, dass die Rassensegregation in den Schulen der Südstaaten gegen die Verfassung verstieß. Dieses Urteil wurde von der NAACP erwirkt. Das Gericht meinte, dass die Segregation zu einer Demütigung der schwarzen Kinder führe.
– Als wichtiges Ereignis wird angesehen, dass die schwarze Arbeiterin Rosa Parks sich eines Tages weigerte, von einem Platz für Weiße in einem Bus aufzustehen, worauf sie verhaftet wurde. Daraufhin wurde ein mehrmonatiger Busboykott in ihrer Heimatstadt Montgomery organisiert, an dem Reverend Dr. Martin Luther King jr. maßgeblich beteiligt war.
2.2. Methoden und Ziele der Bürgerrechtsbewegung “
Der Priester spielt in der schwarzen Community nicht nur die Rolle eines moralischen Wertgebers, sondern auch eines politischen Führers (Waldschmidt-Nelson 2004, 65).
Gewalt erzeugt Gegengewalt und King wollte diese Gewaltspirale auflösen. Er setzte daher strikt auf die Methode des zivilen Ungehorsams, die von Henry David Thoreau und Mahatma Gandhi geprägt war. Die Methode ermöglichte den Bruch von als ungerecht empfundenen Gesetzen, setzte aber auf passiven Widerstand und verbot die Anwendung von Gewalt und dies auch und vor allem, wenn die andere Seite Gewalt anwendete.
Die von King und anderen gegründete SCLC begann mit einer Kampagne, welche die Schwarzen im Süden zur Wählerregistrierung und zur Wahrnehmung ihrer Wahlrechts aufrief. Wald-Schmidt-Nelson meint, dass die SCLC von der Radikalität der NoI profitierte, da die SCLC vor diesem Hintergrund als die angenehmere Alternative gelten konnte:
„In ihrer Radikalität relativierten sie die Forderung der Integrationisten. Viele Weiße, die bislang die Ziele Martin Luther King und anderer Bürgerrechtler inakzeptabel fanden, änderten nun ihre Ansicht. Im Vergleich zu den Black Muslims erschienen die „nur&ldquo Gleichberechtigung fordernden Bürgerrechtler eher harmlos. Vor allem im Norden, aber zum Teil auch im Süden fanden sich so zu Beginn der 1960er Jahre Weiße, die bereit waren, die CRM sowohl aktiv als auch finanziell zu unterstützen.&ldquo (Waldschmidt-Nelson 2004, 82) “
Studenten aus den Südstaaten, die zuvor mit Sit-Ins und ähnlichen Formen des friedlichen Protests erfolgreich gewesen waren, gründeten die Organisation „Student Nonviolent Coordinating Committee&ldquo (SNCC). Diese arbeitete anfangs mit der SCLC zusammen, war aber formell unabhängig.
Ein weiterer Schwerpunkt der CRM lag in dem Versuch, die Antisegregations-Urteile des Supreme Court durchzusetzen, indem sie die Integration der Schulen und Universitäten im Süden voranzutreiben suchten.
Die CRM bediente sich in ihrer Strategie der medialen Aufmerksamkeit. Die friedlich Demonstrierenden auf der einen, der wütende weiße Mob auf der anderen Seite entsetzte die mediale Öffentlichkeit. Die negative Publicity zwang die lokalen Behörden, die Regierung des Staates und die Administration zum Handeln.
2.3. Der Marsch auf Washington
Der Marsch auf Washington vom 28. August 1963 war, zumindest von seiner symbolischen Bedeutung her, das größte Ereignis in der Geschichte der CRM. Einige hunderttausend Schwarze und Weiße versammelten sich schließlich vor der Lincoln-Statue, wo King seine bekannteste Rede „I have a Dream&ldquo hielt. Sein Traum war an den „amerikanischen Traum&ldquo angelehnt. Er betonte noch einmal die Notwendigkeit des friedlichen Widerstandes:
„The whirlwinds of revolt will continue to shake the foundations of our nation until the bright day of justice emerges. But there is something that I must say to my people who stand on the warm threshold which leads into the palace of justice. In the process of gaining our rightful place we must not be guilty of wrongful deeds. Let us not seek to satisfy our thirst for freedom by drinking from the cup of bitterness and hatred. „We must forever conduct our struggle on the high plane of dignity and discipline. we must not allow our creative protest to degenerate into physical violence. Again and again we must rise to the majestic heights of meeting physical force with soul force.
The marvellous new militancy which has engulfed the Negro community must not lead us to distrust of all white people, for many of our white brothers, as evidenced by their presence here today, have come to realize that their destiny is tied up with our destiny and their freedom is inextricably bound to our freedom.&rdquo (Martin Luther King. I have a Dream. 28.08.1963. „http://www.mecca.org/~crights/dream.htm. „Zugriff am 14.05.2005) “
Doch die zunehmende Gewalt im Süden und die wachsende Ungeduld bei den jüngeren Schwarzen, sowie deren Zweifel an der Wirksamkeit des zivilen Widerstandes und der christlichen Lehre begannen allmählich zuzunehmen. In seiner „Message to the Grassroots&ldquo sagte Malcolm X quasi als Antwort auf Kings Rede: “
„Revolution is bloody, revolution is hostile, revolution knows no compromise, revolution overturns and destroys everything that gets in its way. And you, sitting around here like a knot on the wall, saying, „I’m going to love these folks no matter how much they hate me.“ No, you need a revolution. Whoever heard of a revolution where they lock arms, as Rev. Cleage was pointing out beautifully, singing „We Shall Overcome“? You don’t do that in a revolution. You don’t do any singing, you’re too busy swinging. It’s based on land. A revolutionary wants land so he can set up his own nation, an independent nation. These Negroes aren’t asking for any nation, they’re trying to crawl back on the plantation.&rdquo (Malcolm X. Message to the Grass Roots vom 10.11.1963. http://www.thespeechsite.com/famous/MalcolmX-2.htm. „Zugriff 15.03.05) “
Auch wenn die Rede in einem sehr polemischen Ton vorgetragen wurde, haben die Argumente doch etwas für sich. Sie steht in einem krassen Kontrast zu Kings religiös durchsetzter und ein wenig pathetisch klingender Rede. Vermutlich war dies mit ein Grund, weshalb Malcolm X die Jugend eher ansprach als King. “
Obwohl Malcolm X sich von der NoI trennte und sich vom Rassismus gegen die Weißen distanzierte, wurde er für die Riots in den Ghettos verantwortlich gemacht. Sein Ruf als „Prediger des Hasses&ldquo blieb an ihm haften. Die „heißen Sommer&ldquo begannen in Harlem im Sommer 1964 und griffen auf einige andere Städte über. Doch auch nach Malcolms Tod gingen die Sommeraufstände weiter. Trotz unterschiedlicher Ansichten bemühte sich Malcolm um eine Unterstützung Kings, war aber bei dessen Scheitern bereit, alle nötigen Mittel anzuwenden. “
Eines der Hauptprobleme der schwarzen CRM war die Durchsetzung des Wahlrechts im Süden. Die Südstaaten hatten formale Schranken aufgebaut, welche die Wählregistrierung für sie sehr schwierig machten, außerdem konnte es für Schwarze sehr gefährlich werden, ihr Recht auf Wahl wahrzunehmen. Schließlich sah sich Johnson zur Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes genötigt, dass die formalen Schranken bei der Wählerresistierung verbot. Es war auch Johnson, der den von Kennedy verfassten civil rights act schließlich verabschiedete, der trotz einiger Schwächen der bis dahin am weitestgehende Act war.
2.4. Die Reaktion der weißen Gesellschaft
Doch im Süden stieß man nicht nur auf passive Ablehnung. sondern es breitete sich offener Widerstand aus. Dieser Widerstand war nicht nur auf den unteren Gesellschaftsebenen zu finden, sondern auch höhere Politiker beteiligten sich hieran und wandten sich offen gegen die Entscheidungen des Supreme Court, welches die Segregation als nicht verfassungskonform verurteilt hatte. “
Die Weißen im Süden begannen sofort, den lokalen Widerstand gegen die Integration zu organisieren. Die Lynchmorde an Schwarzen, auch an Bürgerrechtlern im Süden erlangten internationale Bekanntheit und drohten, dem Ruf der USA zu schaden (so Klinkner/Smith 1999, 247). “
In Little Rock versuchten weiße Eltern zu verhindern, dass schwarze Schüler die Central Highschool besuchten, sie bekamen Unterstützung vom Gouverneur. Eisenhower sah sich schließlich dazu genötigt, Bundestruppen einzusetzen, um den schwarzen Schülern den Zutritt zur Schule zu ermöglichen. “
Besonders spannend war der Versuch von James Meridith, sich an der Universität von Mississippi einzuschreiben. Dies gelang erst nach tagelangen Tumulten und dem Einsatz von Bundesmarshalls. “
Besondere Aufmerksamkeit erregte auch der KKK, der wieder mit brennenden Kreuzen und später auch brennenden Kirchen aktiv wurde. Bei einem solchen Brand in einer schwarzen Kirche wurden vier kleine Mädchen getötet. “
Auch das zögerliche Verhalten der Politiker, vor allem Eisenhowers, der ohne internationalen Druck nicht gehandelt hätte, aber auch Kennedy und Johnson, die ebenfalls nur auf den Druck der massenmedialen Aufmerksamkeit reagierten. Ihre zögerliche Haltung konnte so interpretiert werden, dass sie im Grunde nicht an einem Fortschritt in dieser Frage interessiert wären und es wurde auch so interpretiert. Sie erließen zwar Gesetze, aber sorgten sich nur wenig um deren Durchsetzung. Heute hat sich allgemein die Interpretation durchgesetzt, dass Abe Lincoln den Bürgerkrieg zur Sicherung der Union und nicht zur Befreiung der Sklaven geführt hat, seine Nachfolger folgten also einer wenig ruhmreichen Tradition. “
Andererseits muß auch darauf hingewiesen werden, dass es im Süden nicht nur der weiße Pöbel war, der den Fortschritt der CRM verhindert hat. Mit der „Operation Dixie&ldquo versuchten die Republikaner gegen die CRM Stellung zu beziehen.
„The significance of operation Dixie should not be underestimated. Rather than being the unwitting beneficiaries of a white backlash against the &ldquoexcesses&rdquo of the civil rights movement in the late 1960s, the Republican Party sought actively to fomize and capitalize on white resistance even before that movements main triumphs. Often the „voice of the people“ but an echo of what political leaders expose. Through Operation Dixie, the Republican Party began giving a new national voice to racial conservatives. The echoes reverberate in American politics to this day.&rdquo (Klinkner/Smith 1999, 263)
2.5. Kings „späte Phase“ und das Ende der CRM
Der Chronologie halber soll hier bereits Kings „späte Phase&ldquo beschrieben werden. Da sie in gewisser Weise auch als Kritik an der früheren CRM aufgefasst werden kann, hätte sie besser in den zweiten Teil gepasst. “
Kings Tod war nicht das Ende der CRM, sie ist ja im gewissen Sinne noch heute aktiv. Doch ist das Attentat eine Zäsur, die den Schwerpunkt vom zivilen Ungehorsam auf den militanten Widerstand der Black Panther und anderer lenkte. “
In seiner „späten Phase&ldquo nach dem Tode Malcolm X, erkannte King die Grenzen der bisherigen CRM: “
„Watts sollte zum Schlüsselerlebnis für King werden, das schließlich eine Wende in seinem Denken herbeiführte. Die Begegnung mit dem Elend und der Armut der Ghettobewohner machte ihm etwas klar, das Malcolm X schon Jahre vorher erkannt hatte. Die Abschaffung diskriminierender Gesetze allein konnte die Situation der schwarzen Unterschicht nicht wirklich ändern. Das Recht, mit Weißen zusammen im gleichen Raum essen zu können, nutzt einem nichts, wenn das Geld fehlt, um dieses Essen bezahlen zu können. Nach Watts erkannte King, dass der Traum von schwarzer Freiheit und Gleichberechtigung niemals verwirklicht werden konnte, solange derart krasse soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeiten in Amerika existierten. Er beschloß, sich von nun an intensiver um die Bekämpfung des Teufelskreises Rassismus – Arbeitslosigkeit – Armut – Drogensucht – Verbrechen zu kümmern…&ldquo (Waldschmidt-Nelson 2004, 131) “
Kings Hinwendung zu den Ghettos führte zu einer gewissen Verschärfung, die sich etwa in seiner Sprache ausdrückte. Auch waren einige Organisationen nicht bereit, ihm hierher zu folgen. “
Allmählich zeichnete sich ein Konflikt zwischen den etablierten Organisationen und den jüngeren ab, es lässt sich auch als Generationenkonflikt bewerten. Die Wortführer der jungen, allen voran Stockley Carmichael, waren nicht länger zum gewaltlosen Widerstand bereit, da die Behörden meistens mit Gewalt reagiert hatten und viele Bürgerrechtler im Gefängnis gelandet waren. “
Sie prägten den Slogan „Black Power&ldquo. Black Power bedeutet für den SNCC das weiße Mitglieder abgelehnt wurden, NAACP und NUI verurteilten dies, weil sie es als rassistisch empfanden. Demmy weist darauf hin, dass die SNCC, also die Studentenorganisation, das „nonviolent&ldquo in ihrem Namen durch „national&ldquo ersetzten. “
Die Bürgerlichen verurteilten die Riots in den Ghettos und forderten die Ghettobewohner dazu auf, sich friedlich zu verhalten. Diese Aufforderung klang doch ziemlich absurd, so dass man sie als rhetorisch, als für den weißen Mann bestimmt, interpretieren konnte. Die Aufforderung, mehr Geduld zu haben, musste für die Ghettobewohner wie blanker Hohn klingen, außerdem hatten diese keinerlei Respekt vor den bürgerlichen Führern. “
King hatte erkannt, dass die Probleme systemimmanent waren und begann nun, das amerikanische System zu kritisieren: “
„King forderte jetzt eine Umstrukturierung amerikanischer Werte und eine stärkere Umverteilung von Macht und Kapital. Damit stellte er die Grundsätze des amerikanischen Kapitalismus in Frage, und er machte sich nicht nur bei der Johnson-Regierung und FBI-Chef Hoover unbeliebt, sondern auch bei vielen Weißen, die ihn früher gelobt und unterstützt hatten. Dazu trug Kings Ablehnung des Vietnamkrieges ebenfalls bei. (Waldschmidt-Nelson 2004, 136) “
Die Kritik am Vietnamkrieg zielte vor allem auf eine Kritik der Einschränkung der Sozialhilfe einerseits und auf die große Zahl schwarzer Soldaten ab. Die mediale Öffentlichkeit wandte sich gegen King, als er seine wohl radikalste Rede gegen die Politik der Regierung hielt: “
„These are revolutionary times. All over the globe men are revolting against old systems of exploitation and oppression, and out of the wounds of a frail world, new systems of justice and equality are being born. The shirtless and barefoot people of the land are rising up as never before. The people who sat in darkness have seen a great light. We in the West must support these revolutions.
It is a sad fact that because of comfort, complacency, a morbid fear of communism, and our proneness to adjust to injustice, the Western nations that initiated so much of the revolutionary spirit of the modern world have now become the arch antirevolutionaries. This has driven many to feel that only Marxism has a revolutionary spirit. Therefore, communism is a judgment against our failure to make democracy real and follow through on the revolutions that we initiated. Our only hope today lies in our ability to recapture the revolutionary spirit and go out into a sometimes hostile world declaring eternal hostility to poverty, racism, and militarism. With this powerful commitment we shall boldly challenge the status quo and unjust mores, and thereby speed the day when „every valley shall be exalted, and every mountain and hill shall be made low.&rdquo (M. L. King. Beyond Vietnam- Address delivered to the Clergy and Laymen Concerned about Vietnam, at Riverside Church 4 April 1967 “
New York City. http://www.africanamericans.com/MLKjrBeyondVietnam.htm Zugriff am 15.03.05 “
Auch wenn Publikum und Anlaß der Rede ein völlig anderer sind als bei „I have a Dream&ldquo ist der Gegensatz auffällig. Wenn man noch Malcolms Statement über die Revolution hinzu zieht, könnte man dies als Aufforderung zur Gewalt auslegen, und viele haben dies wohl auch gemacht. Dies hatte auch zur Folge, dass der Spendenfluß an die SCLC sich substantiell verringerte. Doch King äußerte in mehreren Reden klar, dass er an seinem Ideal des zivilen gewaltfreien Widerstandes festhalte. Nach Kings Ermordung brachen erneute Unruhen in den Schwarzenvierteln aus. In seiner späten Phase war King wohl doch noch in den Ghettos angekommen.
3. Die Kritik der Radikalen
Die Kritik kann hier nicht in aller Ausführlichkeit dargestellt werden, da es auch schwierig war, an die einschlägige Literatur heranzukommen. Wir konzentrieren uns hier auf die Kritik aus der schwarzen Community. Darunter verstehen wir die Gesamtheit der schwarzen US-Amerikaner, die wir sehr grob in Etablierte und Außenseiter aufteilen können. Außenseiter sind diejenigen, die klar außerhalb der Gesellschaft gestellt sind (wie die Ghettobewohner) bzw. die wie die NoI versuchen, sich selbst von der Gesellschaft abzugrenzen. Diese Kritik ist nicht immer rhetorisch ausgedrückt worden, sondern etwa durch die Propagierung eines bestimmten Lebensstils, wodurch die Ziele der CRM indirekt abgelehnt wurden.
3.1. Die Bürgerlichkeit der Bewegung
Möglicherweise konnten die bürgerlichen Schwarzen gar nicht sehen, wo das wahre Problem der schwarzen Unterschicht lag, denn für sie stimmte es ja, dass sie nur einen Schritt von der Gleichstellung mit den weißen Bürgern standen. Ihr Problem lag tatsächlich darin, dass sie nicht in weiße Wohnviertel ziehen konnten, keine weißen Schulen und Universitäten besuchen konnten oder dass sie weiße Clubs und Restaurants nicht betreten durften. “
Zwangsläufig war die christliche Ausrichtung der SCLC der NoI ein Dorn im Auge. Darauf wird später in anderem Zusammenhang noch einmal eingegangen. “
Die CRM basierte neben den christlich geprägten Anhängern der SCLC vor allem auf schwarzen und weißen Studierenden. Zwar hatte man die gesetzlichen Schranken, welche Schwarze vom Studium abhielten beseitigen können, doch es gab ein größeres Problem, daß der Zugangsberechtigung. Selbstverständlich konnten nur die wohlhabenden Schwarzen von einem Studium träumen, während die Ghetto-Schwarzen entweder gar keinen Schulabschluss hatten oder nicht die finanziellen Mittel, die hierfür erforderlich wären oder schlicht nicht auf die Idee des Studiums gekommen wären. Es existiert eine soziale Kluft zwischen Mittelklasse und Unterschichte, nicht nur bei den Schwarzen, aber vielleicht kommt sie hier besonders stark zum Ausdruck. “
Ein weiterer Kritikpunkt war die Rolle, welche die Weißen innerhalb der „schwarzen&rdquo CRM spielte. Auch die Annahme finanzieller Mittel durch „weiße&ldquo Organisationen wurde als problematisch betrachtet. Weiße übten eine zu große Kontrolle aus, sie würden eher Zugeständnisse machen und kleinen Fortschritten zuviel Gewicht beimessen. Sie nähmen der Bewegung die Spitze weg und übten zuviel Kontrolle aus. “
Malcolm X kritisierte, dass beim Marsch auf Washington auch Weiße mitmarschierten und dass die Grundbedingungen vom Weißen Haus festgelegt wurden, er nannte es die „Farce von Washington&ldquo. “
Den Freedom Riders warf er vor, dass sie in den Süden führen, ohne die Probleme der Ghettobewohner im Norden angegangen zu haben. Indirekt prophezeite er auch die Riots im Norden:
„Tatsächlich sind die gefährlichsten und bedrohlichsten Schwarzen der Vereinigten Staaten in den Ghettos der Nordstaaten zu finden – im weißen Herrschaftssystem des Nordens, das der Demokratie das Wort redet und sich gleichzeitig die Schwarzen auf Distanz hält, möglichst irgendwo abseits ganz außer Sichtweite.“ (Malcolm X/Haley 1992, 287) “
Das Leben des jugendlichen Ghettobewohners dreht sich um Kriminalität, Drogen, Sex und Gewalt. Um dem Elend und seiner Selbstzweifel zu entfliehen, steht er ständig unter Drogen. Es gibt eine pyramidenförmige Ausbeutungshierarchie, an deren Spitze häufig Weiße stehen. Diese heuern Schwarze an, die in den Ghettos selbst als Chefs auftreten. Die Ausgebeuteten beuten jene aus, die jeweils unter ihnen stehen. Die Ausbeutung ist hier zu einem System geworden. Am unteren Ende steht eine Masse, die sich einerseits nicht entziehen kann, andererseits aber auch niemanden hat, den sie ausbeuten kann. “
alcolm X fühlte sich von den „hill negroes&ldquo abgestoßen, einer schwarzen Mittelschicht, welche die Ideale der Weißen teilte und sich von der schwarzen Unterschicht abzugrenzen versuchte: “
„Wie am Beispiel von Roxburys „Hill Negroes&ldquo gezeigt, waren die Mittelschichten von jeher um eine Abgrenzung von den schwarzen Unterklassen bemüht. um nicht den gleichen gesellschaftlichen Stereotypisierungen zu unterliegen wie sie. Angesichts ihrer ökonomisch vergleichsweise vorteilhafteren Lage orientierten sie sich an den klassischen bürgerlichen Idealen des „amerikanischen Traumes&ldquo und hofften auf eine möglichst weitgehende Integration in den weißen mainstream. Sie imitierten hierzu den Lebensstil der weißen Mittelschichten, zu denen sie, anders als die schwarzen Unterklassen, über die Arbeitswelt Kontakt hatten. Ihr Streben nach teuren Statussymbolen, die sie sich oftmals nicht leisten konnten, war hierfür der sichtbarste Ausdruck. Die Orientierung an „weißen&ldquo Idealen trug zu ihrem Status innerhalb der schwarzen communities beiund ermöglichte es den herrschenden Weißen, sie als gemäßigte Führer der Schwarzen in ihrem Interesse aufzubauen und zu instrumentalisieren.&ldquo (Scharenberg 1998, 82)
Diese Schwarzen wurden auch Onkel Toms genannt, nach dem berühmten Roman „Onkel Toms Hütte&ldquo. Sie wollten so werden wie die Weißen, doch sie konnten ihre Hautfarbe nicht ablegen. Die Ungleichheit war nicht nur deutlich am unterschiedlichen Wohlstand zwischen schwarzem und weißem Mittelstand zu sehen, sondern auch an der geographischen Segregation. Neben der finanziellen Schranke (den hohen Grundstückspreisen) hatten die Weißen eine Reihe von Möglichkeiten entwickelt, die den Zuzug Schwarzer in ihre Wohngebiete erfolgreich verhinderte. “
In Malcolms Augen waren die Führer der CRM diese „hill negroes&ldquo oder auch „house negroes&ldquo (im Gegensatz zu „field negroes&ldquo). “
Er beschreibt ein Kommunikationsmuster, dass darin besteht, dass Schwarze, die näheren Kontakt mit Weißen haben, jenen mitteilen, es stehe alles zum besten, obwohl dies nicht der Fall ist. Der Weiße hingegen macht ab und zu kleine Zugeständnisse, indem er etwa eine Schule baut, diese Fortschritte werden dann als große Errungenschaften gefeiert (Malcolm X/Haley 1992, 289). Er wirft einem schwarzen Soziologen, welcher seine Aussagen über das Ghetto kritisierte vor: “
„Meiner Meinung nach ist viel entscheidender, dass unter den 22 Millionen Schwarzen in den USA nur verhältnismäßig wenige das Privileg hatten, aufs College gehen zu können … hier hatten wir einen dieser „gebildeten&ldquo Schwarzen vor uns, die niemals das wahre Ziel, den Zweck oder die Anwendungsmöglichkeiten von Bildung verstanden haben. Er stand für jene stagnierende Bildung, die zu nichts anderem taugt, als einen Haufen tönender Worte zu produzieren. Das ist einer der Hauptgründe, warum die Weißen die Schwarzen in Amerika bis heute so mühelos in Schach halten und unterdrücken können… Über Generationen hinweg haben die sogenannten „gebildeten&ldquo Schwarzen ihre Brüder „geführt&ldquo, in dem sie einfach die Denkweisen des weißen Mannes kopierten – was natürlich nur dem Vorteil des ausbeuterischen Weißen gedient hat.&ldquo (Malcolm X 1992, 282) “
Er warf der weißen Gesellschaft, insbesondere der Demokratischen Partei Verlogenheit und Heuchelei vor: “
„And let them know you — something else that’s wide open too. It’s got to be the ballot or the bullet. The ballot or the bullet. If you’re afraid to use an expression like that, you should get on out of the country; you should get back in the cotton patch; you should get back in the alley. They get all the Negro vote, and after they get it, the Negro gets nothing in return&hellip What alibis do they use, since they control Congress and the Senate? What alibi do they use when you and I ask, „Well, when are you going to keep your promise?“ They blame the Dixiecrats. What is a Dixiecrat? A Democrat. A Dixiecrat is nothing but a Democrat in disguise. The titular head of the Democrats is also the head of the Dixiecrats, because the Dixiecrats are a part of the Democratic Party. The Democrats have never kicked the Dixiecrats out of the party. The Dixiecrats bolted themselves once, but the Democrats didn’t put them out. Imagine, these lowdown Southern segregationists put the Northern Democrats down. But the Northern Democrats have never put the Dixiecrats down.&rdquo (Malcolm X (1964): The ballot or the Bullet. http://www.americanrhetoric.com/speeches/malcolmxballot.htm Zugriff am 16.03.05) “
Es ging damals um die Frage, ob die Schwarzen Johnson oder Goldwater wählen sollten. Kennedy hatte die Wahl knapp mit den Stimmen der Schwarzen gewonnen. Der Unterschied zwischen Johnson und Goldwater sei lediglich, dass Johnson so tue, als wolle er die Integration, während Goldwater dies klar ablehne (Johnson sei ein Fuchs und Goldwater der Wolf). Johnson hat die Wahl allerdings auch die Stimmen der Schwarzen gewonnen. “
3.2. Die Methode des gewaltlosen Widerstandes
Das „Die-andere-Wange-Hinhalten&ldquo wurde von der NoI als zutiefst christliche Eigenheit verurteilt. Die Religion war „Opium fürs Volk&ldquo, dazu gedacht, über fehlende Fortschritte bei der schwarzen Gleichberechtigung hinweg zu täuschen. Die NoI predigte, zumindest nach ihrem Selbstverständnis, keine aktive Gewaltanwendung, sie erlaubte aber die Gegenwehr gegen Gewalt. Wie schon oben zitiert, merkte Malcolm X an, dass Revolutionen nicht gemacht würden, indem man Arm in Arm mit seinem Feind Lieder singt oder Sit-ins veranstaltet. Malcolm X war einmal, als er noch zu NoI gehörte, mit einer Gruppe der paramilitärischen Fruit of Islam zu einem Polizeirevier marschiert, um die Behandlung eines verhafteten und schwer verletzten Bruders zu erzwingen. Er hätte wahrscheinlich keine Gewalt angewendet, dies hätte zumindest dem Ethos der NoI widersprochen, die grundsätzlichen Gehorsam vor Behörden verlangte, aber es entsprach der Auffassung vom Recht auf aktive Gegenwehr. “
Doch auch aus den Reihen der CRM kam Kritik. Die jungen Aktiven sahen die Grenzen des Widerstandes und die ausbleibenden Erfolge. Außerdem nahm die Gewalt im Süden zu, besonders schockierend war die Ermordung von vier Bürgerrechtlern in Mississippi. Carmichael äußerte, dass er keine Lust mehr habe, verhaftet zu werden und propagierte schließlich das Recht auf den bewaffneten Widerstand, vor allem gegen die Polizeigewalt.
3.3. Black Power gegen Integration “
Besonders hervorzuheben ist das schwarze Selbstbewußtsein bzw. das vollkommene Fehlen eines solchen. Die Frage „Integration oder Assimilation&ldquo stellt sich früher oder später für jede Minorität, sie wird ja auch gegenwärtig in Deutschland geführt. Die Schwarzen waren, seit dem sie in den USA lebten – durchaus systemattisch gedemütigt und erniedrigt worden. Sie besaßen keine Geschichte, zumindest kannten sie diese nicht. Die Politik, die Wirtschaft, die Gesellschaft, alles lief ohne sie, sie waren frei aber ungleich. Die CRM wollte aus den Schwarzen Weiße machen, sie wollten die reale Gleichstellung und -berechtigung, das hieß nach dem Verständnis der NoI die Assimilation in die weiße Gesellschaft. Letztenendes muß man noch heute, um Anerkennung bei den weißen Amerikanern (oder bei den Deutschen) zu finden, besser sein als diese; man muß klügere Aufsätze schreiben, besser in Mathematik sein und auch noch sportlicher sein. “
Die NoI versuchte hingegen, ihren Mitgliedern ein Selbstbewußtsein einzuflößen. Über die Methoden läßt sich wahrlich streiten: sie propagierten einen puritanischen Lebensstil. Ihre Mitglieder durften kein Schweinefleisch essen, keine Genußmittel zu sich nehmen, die Ehe und die Familie waren heilig, man hatte arbeitsam zu sein und der Obrigkeit zu gehorchen. Diese rigiden Regeln sind vielen Sekten eigen, sie erfüllen jedoch einen bestimmten Zweck. Alkoholismus, Tabak und Faulheit bzw. Delinquenz regierten in den Ghettos, möglicherweise war ein strikter Verhaltenskodex das einzige, was hier Abhilfe schaffen konnte. Und es war, so Malcolm X, jenes fehlende Selbstbewußtsein der Ghetto-Bewohner, welches den selbstzerstörerischen Tendenzen Auftrieb gab. Die Absicht war auch, genau jene Vorurteile der Weißen gegenüber den Schwarzen (ungepflegt, geschwätzig, faul) zu konterkarieren. “
Die christliche Religion wurde als eine weiße Religion denunziert. Der weiße Gott mit seinem weißen Sohn, sollte zwar von Weißen wie Schwarzen angebetet werden, nur das beide in unterschiedlichen Kirchen saßen. Ein Mitglied der NOI schrieb das Lied „White man´s heaven ist black man´s hell&ldquo. Zumindest Martin Luther King war sehr religiös geprägt, seine Rede „I have a Dream&ldquo ist zwar an den amerikanischen Traum und die Verfassung angelehnt, doch die letzten Passagen könnten der Bibel entnommen sein.
4. Zusammenfassung
Obwohl die Sklaverei seit dem amerikanischen Bürgerkrieg offiziell abgeschafft war, hatte sich die Situation der schwarzen Mehrheit kaum verbessert. Es herrschte eine faktische, im Süden auch offiziell geregelte Segregation, die es den Schwarzen fast unmöglich machte, ihre soziale Situation zu verbessern. Auf diesem Boden gediehen die ersten, von Schwarzen angeführten Massenbewegungen, deren Entstehung durch Veränderung der sozioökonomischen und juristischen Situation angestoßen wurden. Dabei lassen sich grob zwei Bewegungen unterscheiden; die eine, die bürgerliche, setzte auf Integration, die andere wollte das Gegenteil. “
Die CRM setzte auf friedliche Mittel, auf Demonstrationen, auf Sit-ins, Teach-Ins, um die Aufhebung von Rassentrennungsgesetzen auch offiziell durchzusetzen. Sie setzten auf die Integration von Schulen und Universitäten im Süden. Sie führten Kampagnen durch, die es den Schwarzen im Süden ermöglichen sollten, wählen zu gehen. Diese Methoden waren in beschränktem Maße erfolgreich. Hilfreich war dabei die mediale Aufmerksamkeit, die ihnen zugute kam. Die Aggression, welche von den Südstaatlern gegen die friedlich demonstrierenden Schwarzen und Weißen ausgingen, sowie die Brutalität der Gesetzeshüter, zwangen die lokalen Behörden zum Eingreifen. Wo diese stur blieben, sahen sich die jeweiligen Regierungen gezwungen, teilweise mit Bundestruppen einzugreifen, der bekannteste Fall war wohl die Einschreibung von James Meridith an der Universität von Mississippi, die erst nach Straßenschlachten zwischen staatlichen und bundesstaatlichd en Sicherheitskräften durchgesetzt werden konnten. Das Endziel war die völlige, faktische Gleichstellung von Schwarzen und Weißen, die auch zu einem Zusammenwachsen der Gesellschaften führen würden.
Problematisch war nicht nur die Haltung der lokalen Behörden, sondern auch das Verhalten der Bundesregierung, die sich nur halbherzig für die Bürgerrechte der Schwarzen einsetzte und nur nach enormem, innen- und außenpolitischem Druck Gesetze erließ. Dazu kam, dass sie sich kaum für die Durchsetzung der von ihr erlassenen Gesetze interessierte. Vieles deutet darauf hin, dass sie ohne den Druck der veröffentlichten Meinung und dem befürchteten Prestige-Verlust im Ausland gar nicht gehandelt hätte.
Die schärfste Kritik an der CRM kam aus den Reihen der schwarzen Community, personifiziert in Malcolm X. Die Hauptkritik richtete sich gegen die Absicht der Integration. Die NOI, für die er sprach, verurteilte die weiße Gesellschaft als zutiefst korrupt, sie entwickelte eine rassistische Ideologie, deren Kern aussagte, der weiße Mann sei der Teufel. Sie forderten ihre Anhänger auf, sich so weit wie möglich von den Weißen fernzuhalten und wollten in letzter Konsequenz ein eigenes Territorium. Die CRM wurde als zutiefst bürgerlich empfunden, ihr wurde vorgeworfen, dass sie sich auf eine formale Gleichstellung konzentrierte, welche aber die Probleme der schwarzen Ghettobewohner im Norden gar nicht lösen werde. Eine Integration der Schwarzen in die weiße Gesellschaft sei nicht nur unmöglich, sondern nicht einmal wünschenswert, dies werde im Ergebnis auf eine Assimilation hinauslaufen. Auch zögen es die jeweiligen Rassen vor, unter sich zu bleiben. “
Genereller wurde der Einfluß der Weißen auf die schwarzen Organisationen kritisiert, diese würden durch ihren finanziellen und organisatorischen Einfluß dem Protest die Spitze nehmen. Als problematisch wurde der Einfluß der christlichen Religion und die damit verbundene Strategie des „Die-Andere-Wange-Hinhaltens&ldquo empfunden, vor allem als die Gewalttaten weißer Rassisten zunahmen. “
Die NoI und später auch andere Organisationen setzten auf schwarzes Selbstbewusstsein und Selbstbehauptung. In seiner späteren Phase erläuterte Malcolm X, es könne keine Einheit zwischen Schwarzen und Weißen geben, bevor sich die Schwarzen nicht selbst respektierten. Er, der selber aus dem Ghetto kam, sah einen Minderwertigkeitskomplex der Schwarzen, ein Selbsthass, der die Gesellschaft insgesamt zu zerstören drohte. Er warf den schwarzen Integrationisten vor, dass sie sich gegen die Interessen der Schwarzen an die Weißen verkauft hätten. “
5. Schluß
Im Ergebnis besteht die faktische Rassentrennung bis heute fort: “
„Dagegen müssen Schwarze und Lateinamerikaner häufig auch dann noch in ärmeren Stadtteilen mit schlechterer öffentlicher Versorgung leben, wenn sie gar nicht arm sind (eine Erscheinung, die als neighbourhood gap bezeichnet wird). Bis heute sind die US-amerikanischen Städte durch ethnische und Klassengrenzen gekennzeichnet. So leben die meisten Schwarzen in Vierteln mit einem Durchschnittseinkommen, das etwa 50 Prozent unter dem der Weißen liegt. Diese Schere hat sich seit 1990 immer weiter geöffnet. Nur wenig besser ergeht es den Latinos.(1) Selbst die wenigen Glücklichen, die sich in einem besseren Viertel etablieren können, haben es damit noch nicht automatisch besser als die ärmeren Schwarzen und Lateinamerikaner, was die Gleichberechtigung beim Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen betrifft. So gehen die allermeisten hispanischen oder schwarzen Kinder in Schulen, wo der Anteil von Mitschülern aus armen Familien bei über 65 Prozent liegt. Für die Weißen beträgt dieser Anteil nur 31 Prozent.&ldquo (SUDHIR ALLADI VENKATESH. Wer wohnt wo in den Großstädten der USA. in Le Monde Diplomatique vom 14.11.2003, zu finden unter http://www.monde-diplomatique.de/pm/2003/11/14/a0085.text.name,askDEiVZ9.n,0. Zugriff am 20.03.05)
Die Situation der Masse der Schwarzen hat sich also nur wenig verändert und droht sogar, sich zu verschlimmern. Der vor allem unter Reagan forcierte Abbau der Sozialleistungen wird von Bush zum Ende gebracht. Die USA haben es ganz offentsichtlich nicht geschafft, ihr Rassenproblem in den Griff zu bekommen. Dieses Problem dürfte sich verschärfen, zumal die soziale Ungleichheit auch unter Weißen zunimmt und als weiterer Faktor die Einwanderung hispanischer Personen zunimmt. Der Mythos vom Schmelztiegel erweist sich für die dunkelhäutigen Einwanderer als Mythos. Nicht zu vernachlässigen ist auch der „Kampf gegen den Terrorismus&ldquo, dessen Fixierung auf den Islam auch als rassistisch ausgelegt werden kann. Der typische Terrorist ist männlich, jung, trägt einen Bart – und ist dunkelhäutig. Einige Weiße fürchten sich davor, dass die Nichtweißen eines Tages die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung stellen werden (z. B. Samuel Huntington) und dass Englisch als Hauptsprache verdrängen werden. Sie bemühen sich um eine Wiederbelebung von Tradition und Kultur, womit sie allerdings weiße Traditionen und weiße Kultur meinen. Diese Form des Zwangspatriotismus provoziert im Grunde ein Revival der Black-Power-Bewegung, der heutige Führer der NoI Farrakan scheint unter jungen Schwarzen sehr beliebt zu sein. Dabei wird auch unterschlagen, dass die US-amerikanische Kultur von den Afroamerikanern entscheidend mitgeprägt wurde. “
In diesem Zusammenhang ist es interessant, auf die unterschiedliche Rezeption von Martin Luther King und Malcolm X einzugehen. Wenn man von King spricht, wird gerne über den Marsch von Washington, seine dort gehaltene Rede, die friedliche Form seines Protests und seine besondere Betonung christlicher und moralischer Werte hochgehalten. Ausgeklammert wird dass, was hier als seine späte Phase bezeichnet wurde, sein Protest gegen den Vietnamkrieg und vor allem seine Forderung nach einem Umbau des amerikanischen Systems. Malcolm X gilt hingegen nach wie vor als Prediger von Rassenhaß und Gewalt, dies steht sogar auf der Rückseite der von mir verwendeten Taschenbuchausgabe. Offenbar hat der Umschlaggestalter, genauso wie viele andere, das Buch nie zu Ende gelesen. “
Ich meine, dass diese Form der Interpretation absichtlich erfolgt. Die Gegenüberstellung des friedlichen und systemkonformen King gegen den aggressiven und systemverachtenden Malcolm X, soll die Großartigkeit des ersteren noch stärker hervorheben. Die Moral dieser Geschichte ist, dass es besser ist, friedlich im System zu sein, als aggressiv außerhalb des Systems zu stehen. Es ist allerdings nicht klar, ob diese Botschaft bei den Ghettobewohnern ankommt. Diese scheinen doch eher nihilistisch und für Ideologien jeglicher Art unempfänglich zu sein, die Auswirkungen ihrer Aggressionen richten sich, zumindest heute noch, gegen sich selbst. “
Die amerikanischen Regierungen haben es sträflich versäumt, das Problem, ob es nun als Rassenproblem oder als Problem ungleicher Verteilung des Vermögens bezeichnet wird, anzugehen. Sie kämpft heute gegen die Auswirkungen ihrer Versäumnisse, ohne die Ursachen tatsächlich erkannt zu haben. Deshalb vergrößert (und privatisiert) sie die Gefängnisse. Deshalb verschärft sie die Sicherheitsgesetze. Deshalb mauern sich die Reichen in ihren Vierteln ein und beschäftigen eine Armee privater Sicherheitsdienste. Sie reden zwar gerne von Freiheit und Gleichberechtigung, aber vielleicht erinnern sie sich noch an Nat Turner oder John Brown. Doch es ist eine Binsenweisheit, dass sich die Probleme auf diese Weise nicht lösen lassen.
6. Literatur “
Anmerkung: Internetlinks wurden im Text nachgewiesen und werden hier nicht noch einmal aufgeführt. “
Davis, Mike (1994): City of Quartz – Ausgrabungen der Zukunft in Los Angeles und neuere Aufsätze. Verlag der Buchläden Schwarze Risse. Berlin “
Demmy, Oliver (2001): Rassismus in den USA – Historie und Analyse einer Rassenkonstruktion. Unrast-Verlag. Münster “
Klinkner, Philip A. with Roger M. Smith (1999): The Unsteady March – the rise and decline of racial equality in America. The University of Chicago Press. Chicago & London
Malcolm X/Alex Haley (1992):Malcolm X – die Autobiographie. „Heyne-Taschenbuch-Verlag
Scharenberg, Albert (1998): Schwarzer Nationalismus in den USA – das Malcolm-X-Revival. Westfälisches Dampfboot. Münster
Waldschmidt-Nelson, Britta (2004): Gegenspieler – Martin Luther King & Malcolm X. Fischer-Taschenbuch-Verlag. Frankfurt 4. Auflage
Dies gilt allerdings in der Wissenschaft nicht als das vorrangige Motiv der USA, in den Krieg einzugreifen. “
Thoreau lieferte eine präzise Beschreibung der seinerzeitigen Nordstaatler, die seltsamerweise 100 Jahre noch immer zutreffend zu sein schien: “
“
There are thousands who are in opinion opposed to slavery and to the war, who yet in effect do nothing to put an end to them; who, esteeming themselves children of Washington and Franklin, sit down with their hands in their pockets, and say that they know not what to do, and do nothing; who even postpone the question of freedom to the question of free trade, and quietly read the prices-current along with the latest advices from Mexico, after dinner, and, it may be, fall asleep over them both. What is the price-current of an honest man and patriot today? They hesitate, and they regret, and sometimes they petition; but they do nothing in earnest and with effect. They will wait, well disposed, for other to remedy the evil, that they may no longer have it to regret. At most, they give up only a cheap vote, and a feeble countenance and Godspeed, to the right, as it goes by them. There are nine hundred and ninety-nine patrons of virtue to one virtuous man. But it is easier to deal with the real possessor of a thing than with the temporary guardian of it. (Henry David Thoreau (1849): On the Duty of Civil Disobedience). http://www.transcendentalists.com/civil_disobedience.htm. „Zugriff am 17.03.05).
Dieser Aspekt wird besonders von Klinkner und Smith betont, die sich mehr auf die Politik der Administrationen als auf CRM konzentrieren. “
Obwohl schwarze Soldaten überproportional vorhanden waren, besetzten sie selten höhere Positionen und wurden häufig als Kanonenfutter missbraucht. “
Mike Davis stellt dies am Beispiel von Los Angeles dar (Davis 1994) Anhang I “
Anhang I: Die Tragödie von New Orleans “
New Orleans ist ähnlich wie der 11. September 2001, zum Symbol geworden für das maßlose Versagen der US-Regierung und unterschiedlicher Behörden: Der Regierung des Staates Lousiana, der Stadtregierung von New Orleans und der Katastrophenschutzbehörde des Bundes. Der Hurricane Katrina zog über die Küste New Orleans. Da New Orleans unter dem Meeresspiegel liegt und quasi wie eine Schüssel vom Wasser umschlossen war, galt die Stadt im Falle einer Überschwemmung als besonders bedroht. Zwar waren verschiedene Maßnahmen zum Schutze der Stadt getroffen worden, doch hatten Experten festgestellt, daß die Stadt vor einem starken Hurrikan und entsprechenden Wassermassen nicht geschützt war. Insbesondere die tieferliegenden Stadtteile wären betroffen gewesen, da sie als erste überschwemmt wurden, während die Reichen- und Geschäftsviertel auf Hügeln lagen bzw. liegen und am wenigsten betroffen wurden. “
Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein Hurrikan die Stärke haben würde, die Dämme zu brechen, so daß die Stadt überschwemmt werden würde. “
Und dieser Fall trat schließlich ein. Die Stadt wurde überschwemmt, und die Menschen versuchten, zu fliehen. Doch es traten diverse Probleme auf. Die Stadt hatte keine Busse organisiert. Arme Menschen ohne eigenes Fahrzeug konnten die Stadt nicht verlassen. Der Katastrophenschutz reagierte in den ersten Tagen nicht, ebensowenig wie der Präsident.
Die Behörde für den Katastrophenschutz war dem Ministerium für Heimatschutz unterstellt worden. Dieses Ministerium kürzte die Mittel und verwendete sie für den Irak-Krieg. Der Chef der Behörde besaß keine Erfahrung im Katastrophenschutz und beschränkte sich darauf, die Behörde zu zerstückeln und praktisch handlungsunfähig zu machen.
Die Stadt ist heute praktisch tot, denn viele Einwohner konnten nicht zurückkehren. Die ursprüngliche Kultur, beeinflußt von Weißen, Kreolen und Karibik, ist tot und es ist fraglich, ob sie jemals wieder auferstehen wird. “
Für die Schwarzen bedeutete die Tragödie von New Orleans das Ende des Traumes von der Gleichheit. Niemand glaubte mehr daran, daß Reiche und Arme in den USA gleich seien, daß die Regierung Menschen in Not helfen würde, auch wenn sie schwarz sind. In den Fluten von New Orleans hat so mancher seinen amerikanischen Traum ausgeträumt.
Länder wie Kuba und Venezuela haben ihre Unterstützung angeboten, die allerdings abgelehnt wurde. Insbesondere Kuba hat Erfahrungen mit Hurrikans und Evakuierungen. Dort kommt es nur selten zu Todesfällen aufgrund von Naturkatastrophen. “
Einige Beobachter gehen davon aus, daß die Stärke des Wirbelsturms ein Ergebnis des Klimawandels ist, da die Temperatur des Wassers die Intensität des Hurrikans beeinflußt: Je höher die Wassertemperatur, desto größer die Sogwirkung des Sturms und desto stärker die Flut. Für die Erwärmung des Meeres wird der Klimawandel verantwortlich gemacht. Der Klimawandel ist ein Ergebnis des Ausstoßes von Treibhausgasen, die vor allem von den Industriestaten, vor allem den USA zu verantworten sind. Die einfache Formel lautet: Die Reichen erwärmen die Erde, die Armen bezahlen den Preis dafür. “
„Das ausgerechnet das reichste Land der Welt, welches Kriege in fernen Ländern führt, nicht willens oder in der Lage war, den Menschen von New Orleans zu helfen, war wohl der größte Schock für die Weltgemeinschaft. Es zeigt, wie wenig Hilfe arme Menschen von der Weltgemeinschaft erwarten können, selbst wenn sie in einem reichen Lande leben. “
„Die Frage, ob einer reichen, überwiegend weißen Stadt Ähnliches widerfahren wäre, erübrigt sich. Florida und seine Küstenstädte haben in den letzten Jahren
weit mehr Bundesmittel für den Katastrophenschutz bekommen als Louisiana und New Orleans. Florida wird vom Bruder des Präsidenten regiert, und anders als
in New Orleans gilt es in Miami und Palm Beach, ein veritables Wählerpotenzial zu kultivieren.
George W. Bush hat diese Klientelpolitik nicht erfunden. Die „Demokraten“ haben sie jahrzehntelang bis zum Exzess gepflegt. Amerikas Politik ist geprägt
von einer Kultur, in der staatliche Investitionen fast immer auf ihre „Rendite“ in Form von Wählerstimmen geprüft werden. Das Ergebnis sieht man jetzt
am Golf von Mexiko.
Das Schlimme ist: Es brauchte einen Hurrikan der Stufe vier und den Untergang einer Stadt, um das Wort „Armut“ wieder aussprechen zu können. Race, poverty,
inequality – diese Begriffe hatte Amerikas Rechte bis zum 29. August 2005 erschreckend erfolgreich in die rosa Watte des „mitfühlenden Konservatismus“
verpackt und aus der Sphäre der Politik in den Bereich christlicher Caritas abgeschoben. Das geht jetzt nicht mehr. Die Frage ist: Was geht ab jetzt?&ldquo (Andrea Böhm. Katrina goes to Washington.&ldquo LMD)
„Als der Chef des Army Corps of Engineers, der zuvor für die Republikaner im Repräsentantenhaus gesessen hatte, vor drei Jahren gegen die Kürzung der Projekte
zum Überflutungsschutz protestierte, nötigte Bush ihn zum Rücktritt. Und voriges Jahr drängte die Regierung den Kongress, das Budget des Army Corps für
den Bezirk New Orleans um 71 Millionen Dollar zu kürzen – trotz der warnenden Hinweise auf die bevorstehende Hurrikan-Saison.
Aber das Weiße Haus bewilligte nicht nur zu wenig Geld für die Wiederherstellung der Küstenregion und den Deichbau, sondern stutzte auch die Katastrophenschutzbehörde
zurück. Die Regierung Clinton hatte die Fema unter ihrem Direktor James Lee Witt, der mit am Kabinettstisch saß, zu einem ihrer Vorzeigeprojekte gemacht.
Nach den großen Überschwemmungen entlang dem Mississippi (1993) und dem Erdbeben von Los Angeles (1994) hatte die Behörde für den effizienten Einsatz ihrer
Such- und Rettungsteams und die zügige Verteilung der Hilfsgüter über die Parteigrenzen hinweg viel Lob geerntet.
Als dann die Republikaner 2001 die Fema übernahmen, behandelten sie sie wie besetztes Feindesland: Der neue Direktor Joe M. Allbaugh, der für Bush den Wahlkampf
gemanagt hatte, nahm sich den „aufgeblasenen“ Etat der Behörde vor und strich die Gelder für viele Programme zur Eindämmung von Flut- und Sturmfolgen eifrig
zusammen, bevor er 2003 abtrat und ins Consulting-Geschäft wechselte. Heute berät er Unternehmen, die sich um Aufträge im Irak bemühen. Als geübter Katastrophengewinnler
mischt er auch in Louisiana schon wieder mit: Mit seinem Insiderwissen berät er Firmen, die sich auf den Spuren von „Katrina“ um lukrative Wiederaufbauprojekte
bewerben.
Seit die Fema 2003 in dem neuen Ministerium für Homeland Security aufgegangen und damit nicht mehr im Kabinett vertreten ist, wurde die Behörde wiederholt
verkleinert und zugleich in neue bürokratische und Patronagestrukturen eingebunden. Deshalb haben Fema-Mitarbeiter beim Kongress die Klage eingereicht,
dass „Katastrophenmanager der Fema durch parteipolitisch vernetzte Unternehmer und neue Mitarbeiter ersetzt wurden, die nur wenig Erfahrung und Kenntnisse
mitbringen“.(10 )Das gilt vor allem für Allbaughs Nachfolger und Protegé Michael Brown, einen republikanischen Anwalt ohne jede Erfahrung in Notstandsplanung,
der sich zuletzt als Lobbyist für die Besitzer teurer arabischer Rennpferde betätigt hatte. Unter Brown setzte sich die Metamorphose der Fema fort. Bedrohungsszenarien,
die alle potenziellen Gefahren einbezogen, kamen kaum noch vor, stattdessen fixierte man sich wie besessen auf den Terrorismus. 75 Prozent der Bundesmittel
für Katastrophenschutz, die vormals in lokale Projekte der Erdbeben-, Sturm- und Flutprävention geflossen waren, gingen jetzt für Antiterrorszenarien drauf.
Das Ergebnis war, dass die Bush-Administration in eine Maginot-Linie gegen die Bedrohung durch al-Qaida investierte und sich immer weniger um Deiche und
Pumpen kümmerte.“ (Mike Davis. Kein Heimatschutz für New Orleans. LMD vom 14.10.3006)
Mike Davis. „The Predators „of New Orleans
Mike Davis. Kein Heimatschutz für New Orleans. LMD vom 14.10.2005 “
Mike Davis. Wie Amerika seine Katasrophen bewältitgt “
Mikte Davis im Interview über die „am wenigsten natürliche Katastrophe&ldquo “
Ein Zeit-Spezial mit einigen Artikeln zu Katrina “
Mit Artikeln von Mike Davis, Richard SEnnett und anderen “
Eine Reihe von Artikeln erschien beim Online-Magazin Telepolis, besonders empfehlenswert sind die Artikel von Craig Morris, der aus New Orleans stammt
Andrea Böhm. Katrina goes to Washington. LMD 19.09.2005 “
Wade Roush. Ist die US-Ostküste ein Opfer der Globalen Erwärmung? “
Anhang II: Der Selbsthaß der Schwarzen “
Ein Problem, über das relativ selten gesprochen wird, ist der Selbsthaß der Schwarzen. Selbsthaß ist ein Problem, mit dem viele Minderheiten und Einwanderer in einer verhältnismäßig homogenen Gesellschaft zu kämpfen haben. Dieser Selbsthaß kann darauf beruhen, daß ein Ideal nicht erreicht wird, welches von der Mehrheit explizit oder implizit gesetzt wird, beispielsweise das Ideal des Mittelständlers; ein Reihenhaus, die klassische Kleinfamilie, zwei Autos und das übliche Konsumnieveau. Wer dieses Ideal nicht erreicht, gibt sich oftmals selbst die Schuld. Er sieht das Problem in seinem individuellem Versagen. Er fragt sich, wann in seinem Leben es begonnen hat, daß alles schief lief. ER fragt, welche Fehler er gemacht hat, was zwangsläufig in endloser Grübelei und Selbstvorwürfen mündet. Auch wenn er der Gesellschaft die Schuld dafür geben mag, bewahrt ihn dies nicht davor, sich im tiefsten >Innern selbst die Schuld dafür zu geben, zumal in einer Gesellschaft, in der vordergründig jeder die gleichen Chancen zum sozialen Aufstieg hat.
Die Schwarzen in den USA leben seit mehr Generationen dort, als viele weiße, die vielleicht erst im 19.Jarhundert eingewandert sind und recht erfolgreich waren. Der Schwarze hingegen muß sehen, daß seine Rasse seit 300 Jahren in echter Sklaverei lebt und noch heute in großen Käfigen, Ghettos genannt, vegitiert. Er sieht in die Gesichter seiner Eltern, seiner Nachbarn, seiner älteren Geschwister und der anderen Gettobewohner und sieht darin, ein Spiegelbild seines eigenen Elends und seiner Zukunft. Er beginnt, dieses Elend und diese Leute innerlich zu verabscheuen und verabscheut sich damit selbst. ER sieht, daß diejenigen, die es zu etwas gebracht haben, schnellstens aus dem Ghetto verschwinden und hegt sehnlichst den Wunsch, selbst das Getto zu verlassen. Gleichzeitig sieht er die Unmöglichkeit seines Wunsches und begibt sich in das, was wir als den Abgrund unserer Gesellschaft ansehen: Die Grogenszene, die Prostitution, das organisierte Verbrechen, Gewalt, Sex und Drogen bestimmen fortan sein Leben. Dieser Detroit Red war Malcolm X. Er bewundert Leute wie 50 Cent, die ihre Gewalttätigkeit und ihr Ghettodasein ästhetisieren und damit Geld verdienen, obwohl sie kaum weiter weg vom Ghetto sein könnten. Die Verherrlichung von Sex, Gewalt und Unterdrückung der Frau und die Flucht vor der Realittät durch exzessiven Drogenkonsum wird zu einer Obsession, die immer weitere Generationen dieser jungen Männer ins Elend stürzt. Die Verachtung, die von der weißen Gesellschaft und der schwarzen Bourgeoisie ausgeht, verstärkt diesen Selbsthaß noch.
Die schwarze Bourgeoisie trennt sich nicht nur räumlich, sondern auch geistig von ihren weniger glücklichen Brüdern. Das Vorbild der schwarzen Bürger sind die weißehn Bürger, die in all ihrem Tun nachgeahmt werden. Die Prostitution eines Michael Jackson ist dafür der stärkste und zugleich erschrecknste Beweis. Der Wunsch, weiß zu sein überlagert alle Wünsche. Wenn es ein Mittel gäbe, die Schwarzheit loszuwerden, würde dieses Mittel sofort reißenden Absatz finden. Die schwarze Haut, die krausen Haare, die unedlen Gesichtszüge, sie alle werden zu einem Stigma, zu einem Hindernis, daß einem in den Weg zur weißen Gesellschaft im Wege steht. Nur ein Weißer kann ein geistig und echt aufrechter Mensch sein, während ein Schwarzer das Stigma immer vor sich her trägt. Es gibt kaum Schwarze, die ihre Haut, ihr Haar und ihre Gesichtszüge als positive Selbstidentifikation betrachten bzw. dies öffentlich tun. Diese Spaltung zerbricht jeden Menschen, der sie nicht verdrängen oder mit ihr umgehen kann. Es ist deshalb nicht weiter erstaunlich, daß es nicht die Viertel der Weißen, sondern die Ghettos der Schwarzen sind, die bei den Riots in Flammen aufgehen.Abgesehen davon natürlich, daß die Schwarzen an die Weißen-Viertel gar nicht herankommen. Viele Schwarze verwenden Mittel, um ihre Haut aufzuhellen und ihr Haar zu glätten, womit sie den Weißen ein Stück ähnlicher werden. Malcolm X hatte sich über diese Prozeduren amüsiert, denn er selbst hatte sie in seiner Zeit als Hustler verwendet.
Die Black-Pride-Bewegung ist an einem Projekt der Ästhetisierung des Schwarzen gescheitert, weil sie eine Natur des schwarzen Menschen unterstellte. Der Schwarze sei demnach naturverbundener, sanfter und menschlicher als der Weiße. Diese Bewegung betrog sich selbst, weil sie die Stereotype des weißen Mannes positiv umzudeuten versuchte, obwohl diese Stereotype rassistisch und zutiefst falsch waren und sind. Der schwarze Mann ist stets betrogen worden: Er wurde betrogen von den Weißen, von den schwarzen Bürgern und von seinen Nachbarn, die versuchen, ihn auszuplündern, bevor er sie ausplündert. Das weiße Amerika darf sich deshalb zurücklehnen und bequem dabei zu sehen, wie sich die schwarzen selbst vernichten. Der Selbsthaß der Schwarzen und der Haß der Weißen sorgt dafür, daß sich die Schwarzen nur um sich kümmern und ihre Probleme nie in den Griff bekommen werden.
Eldrige Cleaver hat dies in seiner Essaysammlung „Seele auf Eis&ldquo wunderbar dargestellt. Der Selbsthaß der schwarzen führt dazu, daß Gewalt in den Familien und in den Gettos wesentlich stärker vorhanden ist als in anderen Teieln der Welt, etwa in Indien.
Es ist schwer nachzuvollziehen, was es für einen Menschen bedeutet, keine Selbstachtung zu empfinden. Es spiegelt die innere Aggressivität und die Wut wider, ohnmächtig dem eigenen Schicksal gegenüber zu stehen. Diese Aggression und Wut entlädt sich schließlich, wenn sie nicht anders ausagiert wird, in spontanen Wellen der Destruktivität gegen sich selbst oder häufiger gegen andere. Frantz Fanon hat in „Die Verdammten dieser Erde&ldquo auf die Frage geantwortet, warum die Algerier so häufig gewalttätig gegeneinander sind. Die latente Aggression richtet sich in Wirklichkeit gegen den Kolonialherren, der aber über den Repressionsapparat verfügt, so daß er buchstäblich unerreichbar ist.
Viele Schwarze wissen nicht, daß sie die Weißen nachahmen. Sie übernehmen selbst unbewußt die vorurteile der Weißen, so daß sie im Endeffekt das Weiße als gut und das Schwarze als schlecht betrachten. Und es ist nicht einfach, ihnen zu erklären, warum sie ihre Haare nicht glätten sollten.
Kritik am Begriff people of color