Computerspiele für Blinde

Die heutigen Audio-Games und Touch-Display-geeigneten Spiele sind zwar unterhaltsam, aber in ihrer Spielmechanik begrenzt. Casual Games a la Audio-Tetris lassen sich relativ leicht umsetzen, vermögen aber Power-Gamer nicht wirklich glücklich zu machen.
Ein großer Bereich, der bisher für Blinde und Sehbehinderte kaum erschlossen ist, sind Bewegungsspiele a la WII, Kinect und so weiter. Was derzeit noch fehlt ist ein Interaktions-Framework für solche Spiele. Obwohl es tausende von Spielen gibt, basieren die meisten Games auf einheitlichen Interaktionsmechanismen analog der Gestaltungsmuster für Betriebssysteme. Der Spieler kann oft sofort loslegen und muss sich nicht bei jedem neuen Spiel in die Bedienphilosophie einarbeiten. Für Blinde muss das Ganze auditiv oder haptisch erfolgen.

Raumklang und Körperkontakt

Am besten lässt sich das Ganze natürlich mit einem modernen Surround-Sound-System umsetzen. Damit lassen sich zum Beispiel Ego-Shooter spielen. Der Gegner kann aus allen möglichen Richtungen kommen, der Gamer muss sich in diese Richtung wenden bzw. dort hin schießen. Mit der Kinect lassen sich die Bewegungen des Spielers bereits relativ gut erfassen, so dass das Ganze eher eine Frage der Umsetzung als der technischen Möglichkeiten ist. Schaut man sich die Budgets der großen Spielehersteller an und anschließend die fertigen Spiele, fragt man sich schon, wo die 100 Millionen Dollar eigentlich hinwandern.
Eine Möglichkeit, die bislang kaum genutzt wird ist haptisches Feedback. So ließen sich Arm- oder Fußbänder verwenden, um die korrekte Ausführung von Bewegungen zu erfassen, die zum Beispiel per Sprachausgabe erklärt werden. Wenn Arm oder Fuß falsch bewegt werden, könnte das durch eine Vibration des Bandes angezeigt werden und die Sprachausgabe wiederholt die Anweisung, das passiert solange, bis der Bewegungsablauf korrekt erfolgt.

Reha-Games

Während der Markt der Computerspiele im Wesentlichen gesättigt ist – es gibt nicht mehr viele Leute im Westen, die bereit oder in der Lage sind, hunderte von Euro für neue Games auszugeben, sind andere Bereiche kaum erschlossen. Dazu gehören die Dinger, die ich als Reha-Games bezeichnen möchte.
Reha-Games sind digitale Gesundheitsprogramme, die spielerisch zur mehr Bewegung animieren wollen. Demographischer Wandel, Büroarbeit und steigende Lebenserwartung fordern ihren Tribut: Die Menschen leben immer länger, brauchen aber vor allem Hilfe dabei, ihre Bewegungsfähigkeit zu erhalten. Stationäre Reha ist teuer, knapp und unbeliebt. Ambulante Reha ist für viele Behinderte schwierig.
Hinzu kommt, dass ein Großteil der Blinden ältere Frauen sind, die in Altersheimen leben. In diesem Alter hat man große Schwierigkeiten dabei, sich an die Blindheit anzupassen. Diese Menschen brauchen dringend Bewegung, um nicht körperlich weiter abzubauen, aber es gibt kaum Möglichkeiten für sie, vor die Tür zu gehen. Diese Gruppe würde extrem von Bewegungsspielen profitieren.
Persönlich halte ich Games auch für eine hervorragende Inspirationsquelle nicht nur für barrierefreie Entwickler. Viele Computerspiele versetzen den Spieler in einen unbewussten Lernprozess, so dass er relativ einfach auch komplexe Mensch-Maschine-Interaktionen erlernt. Dagegen stinken die meisten Programme und Websites ab. Es ist nicht nur für Behinderte – aber besonders für sie – bedauerlich, dass sich die ganzen neuen Interaktions-Möglichkeiten wie Bewegungs-Tracking, Eye-Tracking oder gar Gehirn-Computer-Schnittstellen im Massenmarkt der Computer und Smartphones bisher kaum niedergeschlagen haben.