Elektro-Autos und Blinde

Elektro-Autos fristen trotz der massiven Förderung durch die Bundesregierung bisher ein Nischen-Dasein. Zumindest die Blinden freuen sich darüber, denn für sie versprechen E-Autos kein Energie-Ersparnis, dafür aber eine große Gefahr. So verursachen E-Autos kaum Geräusche und können für Blinde dadurch zur unsichtbaren – oder besser – unhörbaren Gefahr werden.
Ein PKW hat im Wesentlichen drei Lärmquellen:

  1. Der Motor
  2. Die Reibung der Reifen auf der Straße
  3. Der Luftwirbel, der durch die Reifen verursacht wird.

Der Luftwirbel spielt praktisch nur bei hohen Geschwindigkeiten vor allem auf der Autobahn eine Rolle. Die Reibung spielt auf asphalphatierten Straßen für die Geräuschentwicklung kaum eine Rolle. Bleibt der Motor. Selbiger wird im E-Auto durch einen Elektro-Motor erzeugt, der in der Praxis ein Summen verursacht. Man kennt das sicherlich von den Elektro-Rollstühlen, die ja ebenfalls solch einen Motor nutzen.
Was wollen wir also, das Ding macht doch ein Geräusch? Ja, und man mag es auf einer Teststrecke hören. In freier Wildbahn sieht die Sache schon ganz anders aus. Hier können eine ganze Reihe von Geräuschen auftreten, die das Auto-Geräusch überdecken.

Gefährdungen

Dabei geht es vor allem um ungeregelte Straßenüberquerungen. Bei Zebrastreifen hört man nicht, ob das Auto anhält oder durchfahren, bei nicht-akustischen Ampeln wir nicht, wissen wann die Ampel grün wird. Dort orientieren wir uns an den typischen Fahrgeräuschen und ohne diese Geräusche geht uns die wichtigste Informationsquelle verloren.
Nun können viele Blinde auch diskrete Geräuschquellen wie zum Beispiel Fahrräder hören. Das sind aber bei weitem nicht alle. Ich erinnere daran, dass die meisten Blinden und Sehbehinderten erst im Alter behindert werden und häufig nicht mehr in der Lage sind, das Interpretieren komplexer Geräusche ausreichend zu erlernen, um sich sicher im Straßenverkehr zu bewegen. Sie wären mit E-Autos schlicht überfordert. Zudem kann im Alter auch eine Hörbehinderung auftreten, die ebenfalls dazu beiträgt, dass diskrete Geräusche schlechter wahrnehmbar sind. Hinzu kommt eine im Alter oft verlangsamte Reaktionsfähigkeit durch körperliche oder kognitive Einschränkungen und ein erhöhtes Verletzungsrisiko bei Stürzen und Ähnlichem. Diese Menschen können also schon durch den normalen Straßenverkehr überfordert sein und durch unhörbare Gefahren sind sie es erst recht.
Bleiben wir bei den Schwerhörigen. Viele Menschen haben eine Schwerhörigkeit, ohne dass sie es merken, weil sie sich nicht extrem störend auf den Alltag auswirkt. Auch sie wären von E-Autos gefährdet.
Faktisch setzen viele Leute ihr Gehör ein, ohne es zu merken. Natürlich sind für die meisten Menschen die Augen der wichtigste Informationskanal, aber wer zuckt nicht zusammen, wenn hinter ihm plötzlich eine Hupe ertönt oder ein Motor aufheult? Das aus der Barrierefreiheit bekannte Multikanal-Prinzip greift nicht nur für Behinderte. Es gibt ja auch genug Leute, die im Gehen auf ihr Smartphone schauen und so visuelle Aufmerksamkeit reduzieren. Ich halte das nicht für ein förderungswürdiges Verhalten, aber es passiert nun einmal.
Auch Kinder sind besonders gefährdet: Sie konzentrieren sich beim Spiel oft so sehr, dass sie nicht merken, dass sie auf die Straße laufen. Vielleicht übersehen sie ein ankommendes Auto, aber dass sie es überhören und übersehen ist unwahrscheinlicher.
Kritiker weisen darauf hin, dass E-Autos zum Lärmschutz beitragen können. Wer tatsächlich Lärmschutz haben möchte, sollte Motorräder, Laubbläser und ähnliche Gerätschaften verbieten oder zumindest ihre Geräusch-Emission verringern.

Warngeräte bieten keine Lösung

Es klingt nach einer netten Idee, mobile Gerätschaften oder Smartphone-Apps zu entwickeln, die vor E-Autos warnen. Faktisch erscheint das mit der heutigen Technik nicht möglich. Ein mobiles Hindernis zu ermitteln und seine Position zu bestimmen ist eine Sache, seine Position in zehn Sekunden zu erraten ist nicht möglich: Biegt das Auto links oder rechts ab? Wo wird sich der Träger des Gerätes in zehn Sekunden befinden? Was ist, wenn das Auto gerade steht und ausparken will?
Und selbst wenn das möglich wäre, das Gerät kann kaputt gehen oder die Batterie kann entleert sein. Außerdem müsste jeder Blinde so ein Gerät besitzen und damit umgehen können. Da erscheint es doch einfacher, die Technik ins Auto zu implementieren.
Für mich wäre es auch vorstellbar, dass das Gefährt automatisch ein Geräusch erzeugt, wenn es sich einem lebendigem Objekt nähert. Sollte das mit heutiger Technik nicht möglich sein, würde es Zeit, daran zu forschen.
Es sagt im Übrigen niemand, dass E-Autos so laut sein müssen wie Benziner. Das Geräusch müsste allerdings ähnlich wie das eines Benziners funktionieren. So muss man hören können, ob ein Auto beschleunigt, abbremst oder steht. Da wir alle das typische Geräuschmuster eines Autos im Kopf haben wäre es für uns schwierig, uns auf ein neues Muster einzustellen. Ein vollkommen gleichmäßiges Geräusch, egal was das Auto gerade macht wäre hingegen nur wenig hilfreich.

Fazit

Die Automobilität ist ein Holzweg, um dieses schiefe Bild zu gebrauchen. Die Lösung der meisten Probleme in diesem Bereich – auch für Behinderte – liegt in flexiblen und barrierefreien Verkehrssystemen, in barrierefreien Carsharing und der Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs, nicht in einer weiteren Aufstockung des Autoverkehrs. Das wird die Lebensqualität sowohl auf dem Land als auch in der Stadt für alle erhöhen.