Man sieht es immer wieder: Es wird eine positive Sache genannt und hinten etwas wie „trotz Barrierefreiheit“ drangehängt. Ein paar Beispiele:
- „Wir konnten es günstig umsetzen, obwohl es barrierefrei ist“.
- „Die Website ist schön geworden und sie ist barrierefrei“.
- „Obwohl die Anwendung barrierefrei ist, hat sie kaum mehr Aufwand gemacht“.
Das Framing ist dabei immer das Gleiche: Es wird suggeriert, dass Barrierefreiheit eigentlich mit all den genannten Aspekten nicht vereinbar ist, man es aber wahrscheinlich dank göttlicher Fügung doch irgendwie hingekriegt hat.
Obwohl ich generell kein Freund des Framing-Ansatzes bin, zumindest nicht in der Form, wie er vonElisabeth Wehling vertreten wird, werden hier Stereotype und implizite Vorannahmen verstärkt. Ein Gegen-Beispiel ist UX: Hier würde kaum jemand so tun, als ob UX ein Akt vergleichbar mit dem Ausmisten des Augias-Stalles wäre, obwohl jedem klar ist, dass UX Arbeit macht.
Bei Barrierefreiheit ist das Gegenteil der Fall: So mancher macht den Eindruck, dass es vergleichbar mit der Vorbereitung auf den Iron Human wäre. Dabei liegt es meist an strukturellen Problemen, dass sich viele Beteiligte damit schwer tun. Leider gibt es auch noch keinen Nobelpreis für Barrierefreiheit, obwohl so mancher den Eindruck macht, ihn dafür verdient zu haben.
Die Verwendung der Phrase „schön/gut/einfach trotz Barrierefreiheit“ kann als problematisch und unangemessen angesehen werden, da sie Menschen mit Behinderungen herabwürdigen oder diskriminieren kann. Hier sind einige Gründe, warum dies der Fall ist:
- Abwertung von Barrierefreiheit: Die Formulierung „schön trotz Barrierefreiheit“ impliziert, dass Barrierefreiheit und Schönheit unvereinbar sind. Dies kann den Eindruck erwecken, dass die Integration von barrierefreien Maßnahmen, die Menschen mit Behinderungen den Zugang und die Teilhabe ermöglichen, als hinderlich oder störend angesehen wird. Tatsächlich sollte Barrierefreiheit als eine wichtige soziale und ethische Anforderung angesehen werden, die die Inklusion und Gerechtigkeit fördert.
- Stigmatisierung von Menschen mit Behinderungen: Die Verwendung solcher Formulierungen kann Vorurteile und Stereotypen über Menschen mit Behinderungen verstärken, indem suggeriert wird, dass Schönheit oder Attraktivität für Menschen mit Behinderungen ungewöhnlich oder überraschend ist. Das kann stigmatisierend wirken und Menschen mit Behinderungen als „anders“ oder „abnorm“ darstellen.
- Förderung von Inklusion und Vielfalt: Es ist wichtig, Inklusion und Vielfalt zu fördern und sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen die gleichen Chancen und Rechte wie alle anderen haben. Die Betonung von Schönheit als unabhängig von Barrierefreiheit kann diesem Ziel entgegenwirken, da sie impliziert, dass Menschen mit Behinderungen in gewisser Weise „anders“ sind.
Stattdessen ist es empfehlenswert, eine positive und inklusive Sprache zu verwenden, die die Bedeutung der Barrierefreiheit und die Vielfalt der Menschen hervorhebt. Klappern gehört zum Handwerk. Aber wenn man der Barrierefreiheit einen Dienst erweisen möchte, sollte man sie nicht als unnötig schwer darstellen. Und auch nicht so tun, als ob sie mit Ästhetik nicht vereinbar wäre.