Für die Praxis lassen sich fünf ineinandergreifende Faktoren der Barrierefreiheit unterscheiden.
Der erste Faktor ist das Betriebssystem oder die Plattform, auf der gearbeitet wird. Jedes gängige Betriebssystem bietet eine Schnittstelle, um mit assistiven Technologien zusammen arbeiten zu können. Die Schnittstelle kann man sich wie einen Standard vorstellen, nach welchem Informationen zur Barrierefreiheit bereitgestellt werden.
Aufbauend auf dieser Schnittstelle wird ein Programm verwendet, um bestimmte Aufgaben zu erledigen. Dieses Programm wird auch Client genannt. Ein solches Programm ist etwa ein Browser für den Zugang zum Internet. Verwendet der Nutzer einen Browser, der nicht entsprechend der Barrierefreiheits-Schnittstelle programmiert wurde, kann er diesen Browser nicht oder nur eingeschränkt verwenden, um auf das Internet zuzugreifen.
Als weiterer Problem-Bereich kommt die Programmierung der Website hinzu: HTML, CSS und JavaScript entwickeln sich schnell weiter. Die meisten Probleme der Barrierefreiheit mit assistiven Technologien lassen sich auf nicht barrierefreies JavaScript zurückführen.
Als vierter Faktor kommen bei einigen – nicht allen – behinderten Menschen die assistiven Technologien hinzu. Sie sind quasi die Schnittstelle zwischen dem Nutzer und dem Client. Sie dienen entweder der Bedienung des Gerätes oder der Ausgabe von Informationen in einer Form, mit der der Nutzer arbeiten kann oder beides.
Als fünfter Faktor kommt der Nutzer selbst ins Spiel. Leider beherrschen nicht alle Nutzer ihre Technologie in einem Maße, wie wir es uns wünschen würden. Und natürlich können die gleichen Fehl-Bedienungen erfolgen wie bei Nicht-Behinderten auch.
Auf allen genannten Ebenen können Probleme der Barrierefreiheit eintreten. Als Haupt-Probleme können folgende Faktoren ausgemacht werden:
1. Das Zusammenspiel zwischen Plattform, Client und AT funktioniert nicht, zum Beispiel, weil eine der Komponenten veraltet ist.
2. Jede der vier technischen Ebenen kann temporäre Probleme – gemeinhin Bugs genannt – enthalten.
3. Der Nutzer selbst hat einen Bedienungs-Fehler gemacht oder er kennt die Technik nicht gut genug, um zurechtzukommen.
Beispiele gibt es viele: So hat das letzte große iOS-Update auf iOS 13 bei vielen Blinden und Sehbehinderten schwerwiegende Probleme mit den AT geschaffen, die erst nach Monaten gelöst wurden. Der Edge-Browser war bei seiner Veröffentlichung nicht barrierefrei. Der in Deutschland beliebte Screenreader Kobra wurde nach der Insolvenz des Anbieters eingestellt. Er wird nach wie vor von vielen Blinden genutzt, doch ist absehbar, dass Windows sowie viele Browser und Webseiten nach und nach nicht mehr mit Kobra funktionieren werden. Ein Update des Screenreaders kann teuer werden, deshalb verwenden viele Blinde nicht die aktuelle Version.
Eine Problem-Analyse erfordert daher, dass Sie möglichst genaue Informationen vom Nutzer einsammeln: Minimum ist Betriebssystem sowie verwendeter Browser, verwendete AT und deren Version sowie natürlich eine möglichst konkrete Beschreibung, auf welcher Seite welches Problem bei welcher Aktion eintritt.
Die Mainstream-Systeme und Browser sind überwiegend barrierefrei. In der Regel können die meisten Probleme auf HTML, JavaScript, die AT oder eine Fehlbedienung durch den Nutzer zurückgeführt werden.