Ich muss zugeben, so richtig überzeugt hat mich die AudioDeskription (AD) – die Filmbeschreibung für Blinde aus dem Off – bisher nicht. Für mich ist es, als ob jemand einen Witz erzählt und mir im gleichen Atemzug die Pointe erklärt. Durch eine kleine Diskussion auf Facebook bin ich zu diesem Beitrag angeregt worden.
Für mich ist das Fernsehen das Medium der 90er. Seit meiner Mittelstufe habe ich immer weniger ferngesehen, das war bis Mitte der 90er. Damals gab es so gut wie keine Sendungen mit AD, zumal bei den amerikanischen Sendungen, die wir damals bevorzugt geschaut haben. Einen Fernseher besitze ich seit vielen Jahren nicht mehr, die Serien auf Netflix interessieren mich nicht. Die wenigen Sendungen, die mich interessiere, lasse ich über einen Online-Service aufzeichnen und höre sie mir dann übers Handy an. Meine Medien sind das Internet und Hörbücher.
Von dem her bin ich nicht uptodate, was die neueste Fernsehtechnik und Fernseh-Ästhetik angeht. Und Blinden, die von Kindesbeinen an mit der AudioDeskription aufgewachsen sind, mag es leichter fallen, sie zu akzeptieren.
Die AudioDeskription ist ein Fremdkörper
Nach meinem Empfinden ist die AD ein Fremdkörper im Film. Normalerweise werden die stillen Teile des Films durch stimmungsvolle Musik untermalt. Musik wirkt sehr unterbewusst und dennoch suggestiv. Durch die AD wird diese Stimmung ein Stück weit unterbrochen. Kommunikationstheoretisch würde man sagen, die Kommunikation wird durch Meta-Kommunikation unterbrochen. Oder plastischer: Stellt euch vor, euer Partner würde sich bei einem romantischem Zusammensein über die Farbe der Kerze und die Qualität des Kerzenwachses auslassen.
Ein Problem besteht auch darin, dass die AD niemals alle blinden Zuschauer befriedigen kann: Entweder berichtet sie zu viel und ist teilweise überflüssig. Oder sie berichtet zu wenig, so dass man auch ganz ohne sie auskäme. Im Prinzip enthält jede Szene tausende von Informationen, die der Sehende auf einen Blick aufnimmt. Die AD kann naturgemäß nur einen Bruchteil davon vermitteln.
Und meines Erachtens kann sie eine Stimmung nicht so rüberbringen wie der eigentliche Film. Aktuell gilt, dass die AD-Stimme monoton wie ein Nachrichtensprecher sein soll. Das ist durchaus generell sinnvoll, aber eine neutrale Stimme kann nur schlecht Emotionen auslösen. Da wäre es besser, die Musik wirken zu lassen.
Konzeptionell wäre es in jedem Fall geschickter, die AD bereits bei der Erstellung des Filmes mit einzu planen. Die Regisseure, Drehbuchautoren oder wer auch immer sollten die nicht-visuelle Ebene von Anfang an stärker gewichten und die Produktion der AD sollte im Film-Team geschehen, dann würden sich einige Probleme von selbst erledigen.
Die AudioDeskription als Teil des Filmes
Und natürlich geht es auch anders. Eine Möglichkeit ist, dass der Moderator in einer Sendung bzw. die Off-Stimme die Aufgabe der Beschreibung übernimmt. Sie kann natürlich nicht so viele Informationen liefern wie eine ausgewachsene AD. Doch ein guter Texter kann genügend Informationen mitgeben, so dass auch der blinde Zuschauer etwas mehr Futter bekommt.
In Filmen kann diese Aufgabe ein Ich-Erzähler übernehmen. Wir kennen das aus Serien wie Magnum, Scrubs oder Malcolm mittendrin. Dort empfindet niemand die Einwürfe als störend, weil sie einfach Teil des Films sind.
Ein Hybrid aus Hörspiel und Film
Und natürlich kennt jeder den Film, der ohne Bild auskommt – das Hörspiel. Ein gutes Hörspiel – davon gibt es nicht so viele – setzt für jede Message das richtige Medium ein: Stimme, Musik, Geräusche, Stille.
Bei unseren sündhaft teuren Hollywood-Blockbustern werden aber diese Faktoren nur wenig eingesetzt: Es kommen natürlich neben dem Visuellen die Stimmen und die Musik zum Einsatz. Aber Geräusche werden im Vergleich zum Hörspiel sehr sparsam eingesetzt. Wie wäre es also, die Geräuschemacher in Filmen stärker zur Geltung kommen zu lassen? Dadurch könnte man wesentlich mehr Informationen transportieren, ohne dass jemand reinquatschen muss.
Nebenbei hätte das Ganze den Vorteil, dass die AD auch von Sehbehinderten – die auch profitieren würden – stärker akzeptiert würden. Entweder wissen sie gar nicht, dass es sie gibt. Oder sie lehnen sie ab, weil sie sie nervig finden.