Um die Antwort abzukürzen: Blinde verwenden laut dem aktuellen Screenreader-Survey von WebAIM hauptsächlich Google Chrome, etwa ein Viertel nutzt Firefox, weiterhin spielt der Internet Explorer sowie Safari auf dem Mac eine gewisse Rolle. Mobil wird hauptsächlich Safari unter iOS genutzt.
Es ist gar nicht so lange her, dass Blinde im Grunde nur einen Browser auf dem Desktop benutzen konnte. Die Frage hieß Jaws/Internet Explorer oder NVDA/Firefox. Heute hat sich die Situation stark verändert. Da ich mich mit Jaws seit der Version 11 nicht mehr auskenne, beziehen sich alle folgenden Aussagen nur auf NVDA. Welche Screenreader Blinde hauptsächlich nutzen.
Die neue Browser-Vielfalt
NVDA kann schon seit längerem mit anderen Browsern zusammenarbeiten: Internet Explorer funktioniert prinzipiell, ist aber nicht wirklich komfortabel. Nach der Veröffentlichung von Firefox Quantum haben sich viele Blinde nach Alternativen umgesehen. Quantum machte in der Anfangsphase im Zusammenspiel mit NVDA Probleme.
Dabei machen sowohl Edge in der aktuellen Version, Google Chrome als auch Opera eine recht gute Figur. Beide funktionieren zumindest was das Surfen angeht recht gut. Die Interaktion mit komplexen Inhalten wie Formularen habe ich bisher nicht intensiv getestet.
Ich bin aber deshalb neugierig geworden und habe alternative Browser auf iPhone und Android ausprobiert. Und was soll ich sagen? Auf dem iPhone funktionieren Firefox, Chrome und Opera Mini sehr gut und sind teils schneller als Safari. Nicht falsch verstehen, alle Browser haben ihre Macken, etwa unbeschriftete Buttons und nervige Meldunge. Doch im großen und Ganzen funktionieren sie gut. Safari ist gerade bei komplexen Websites für meinen Geschmack zu langsam.
Auf Android habe ich nicht so intensiv getestet, aber auch hier funktionieren Firefox und Opera prinzipiell mit TalkBack.
meistgenutzte Browser unter Blinden
Der meistgenutzte Browser unter Blinden dürfte der Safari auf dem iPhone oder iPad sein. Die Zahl blinder iPhone-Nutzer ist recht hoch und die meisten bevorzugen den integrierten Browser.
Auf dem Desktop dominieren Firefox und Internet Explorer im beruflichen Kontext. Privat dürften Chrome und Firefox noch die wichtigsten Browser sein. Meiner Wahrnehmung nach ist der Firefox in Europa wichtiger als in den USA.
Auf dem Mac dürfte der Safari überwiegend genutzt werden.
Fazit: Mehrere Browser
Das ist eine gute Nachricht für uns, nicht für Entwickler. Niemand könnte heute eine Website mit allen denkbaren Kombinationen aus Betriebssystem, Screenreader und Browser mit ihren unterschiedlichen Versionen testen. Aber dafür gibts ja die Webstandards.
Für uns ist es gut, dass wir jetzt die Wahlfreiheit haben. Der Trend geht meines Erachtens dahin, dass wir uns jeweils den besten – sprich schnellsten oder am besten bedienbaren – Browser für die jeweilige Anwendung suchen. Umfangreiche Websites mit Opera, Formulare ausfüllen mit Firefox und so weiter. Ich kann die Blinden nur ermutigen, auch andere Browser intensiv zu testen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass manche Dinge in einer bestimmten technischen Kombination, also Browser X und Screenreader Y funktionieren und in anderen nicht. Das liegt ein Stück weit am unterschiedlichen Umgang mit Webtechniken. Es lohnt sich also auch deshalb, unterschiedliche Browser auszuprobieren, wenn etwas nicht funktioniert.
Im Mainstream gibt es tatsächlich nur noch zwei große Browser-Engines: Der Markt wird stark von Webkit dominiert. Webkit wird von Chrome, Safari, Edge Opera und zahlreichen weiteren kleineren Browsern genutzt. Auch wenn da noch eigene Erweiterungen draufgesetzt werden, dürfte also die Unterstützung von Techniken wie ARIA in Webkit-basierten Browsern im Wesentlichen gleich sein. Daneben gibt es noch den Firefox, der seine eigene Engine hat. Auch Firefox dürfte aber recht schnell sein, was die Adaption etablierter Webtechniken angeht.