Man sollte meinen, dass man es in der Barrierefreiheits-community besonders ernst meint mit der Inklusion von marginalisierten Gruppen. Leider ist dem nichtso. Tatsächlich werden Minderheiten in der community ebenso diskriminiert wie im Rest der Gesellschaft. Vielen Barrierefreiheits-Consultants ist die Barrierefreiheit wichtiger als die behinderten Menschen. Das ist nicht neu: Auch karl Marx hatte mehr Wertschätzung für die Arbeiterschaft als für die Arbeiter.
Ich möchte diese Aussage mit ein paar Beobachtungen belegen.
David Kennedy und der Accessibility Weekly-Newsletter
Ein besonders hervorstechendes Beispiel ist David A. Kennedy und sein Newsletter. Er verschickt Woche für Woche eine Linksammlung von Artikeln über digitale Barrierefreiheit. Betrachtet man seine Newsletter im Detail fällt aber ausf, dass er bevorzugt Artikel von Angloamerikanern. Es sind die all Stars der digitalen Barrierefreiheit wie Adrian Roseli, WebAIM und so weiter. Es fällt auf, dass der Beiträge behinderter Menschen ignoriert, wenn sie nicht zu den stars der Szene wie Leonie Watson oder Nicolas Steenhout gehören.
Nun könnte man argumentieren, dass diese Personen die besten und wichtigsten Beiträge leisten. Dem ist aber nicht so. Man wird eher den 30. Artikel zu alternativtexten bei Kennedy finden als einen interessanten neuen Blickwinkel einer behinderten Person oder einer Person nicht-kaukasischer Herkunft. Sie mögen selbst entscheiden, ob das Zufall oder Strategie ist.
Ich werfe übrigens weder Kennedy noch jemand anderem bewusste Diskriminierung vor. Viele dieser Personen halten sich vermutlich für besonders progressiv, unterschreiben Petitionen für Iklusion oder gegen Diskrimierung und was Leute mit der richtigen Einstellung eben so tun. Das heißt aber nicht, dass ihr Verhalten in der Konsequenz nicht diskriminierend ist. Es ist ein klassisches Beispiel für kognitiven Bias.
Konferenzen bevorzugen den Mainstream
Leider geht das auch bei Organisationen weiter, die angeblich Vielfalt fördern wollen. Bei der axe-con von Deque, einer der weltgrössten und wichtigsten Konferenzen zur digitalen Barrierefreiheit, werden behinderte Personen oder aus Minderheiten explizit zur Einreichung von Vorträgen aufgefordert. Auf dem Lineup landen dann genau die gleichen Personen und Themen, die wir überall anders finden. Ich kann nicht glauben, dass sich da keine interessanteren Personen mit wichtigen Themen zu wort bewerben. Mir als behinderter Person wird nicht einmal eine Absage geschickt.
Das selbe finden wir bei #ID24. Auch hier sind es immer die gleichen Personen mit den gleichen Themen, die jedes Jahr eingeladen werden. Die Frage ist nur, wann Stephanie Walter spricht, nicht ob sie spricht.
Es sei den Leuten gegönnt, obwohl ich glaube, sie könnten zugunsten anderer Personen einmal zurücktreten. Allerdings halten sie sich vermutlich für wichtiger als alle anderen Personen. Und diejenigen, welche die Entscheidung treffen geben ihnen Recht.
Was kann man tun?
- Man sollte neuen Themen und Personen immer eine Chance geben. Man könnte als Veranstalter einen bestimmten Teil für Neues reservieren.
- Als eingeladener Speaker kann man einen Co-Speaker aus einer Minderheit gleichbrechtigt vortragen lassen. Man kann dies auch als Anforderung in Call for Speakers integrieren.
- Man sollte Personen wie David A. Kennedy auf ihren Bias bezüglich Personen aus Minderheiten aufmerksam machen.
Fazit
Aktuell bin ich sehr enttäuscht von der Community zur digitalen Barrierefreiheit. Sicher gibt es Leute, die guten Willens sind und auch sinnvoll aktiv sind. Leider beobachte ich bei vielen einen internalisierten Paternalismus gegenüber behinderten Menschen. Wir sind nur als Stichwortgeber oder als Opfer gut, nicht als Personen mit Expertise oder eigener Meinung.
Ich bin auch skeptisch, was den Willen zur Änderung oder die Fähigkeit zur Anerkennung angeht, dass es ein Problem gibt. Aber man soll die Hoffnung nicht aufgeben.