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Inklusive und barrierefreie Mode – ein Gespräch mit Claire Common

Das ist das Transkript des Podcasts. Alle Fehler und Ungenauigkeiten gehen auf mein Konto.

Domingos: So herzlich Willkommen zu einem neuen Podcast zur digitalen Barrierefreiheit. Heute habe ich wieder einen spannenden Gast dabei, die Claire Common. Claire kümmert sich um das Thema barrierefreie Mode. Was das genau ist, das werden wir gleich von ihr erfahren, aber erstmal vielen Dank, dass du dir die Zeit für den Podcast nimmst. Stelle dich gerne einmal vor.

Claires Hintergrund

Claire: Mein Name ist Claire und ich beschreib mich auch einfach mal. Also ich bin 28, wohne in Mannheim und bin so ein verwuschelter Lockenkopf, der gefühlt immer durch die Gegend irrt und ständig 10000 Ideen im Kopf hat. Und die meisten Leute übersieht, weil ich einfach ständig mit meinen Gedanken, überall woanders bin deswegen, wenn mich jemand sieht, bitte mehrmals ansprechen.

das beschreibt mich ehrlich gesagt auch ziemlich gut, weil. Ja, ich finde. Dass es super wichtig ist, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die einen auch ein bisschen aus der Komfortzone rausholen. Und so bin ich tatsächlich auch zu diesem Thema gekommen. Thema Inklusion, Barrierefreiheit, weil ich persönlich habe keine Behinderung und. Befasse mich aber trotzdem damit und setze mich sehr stark dafür ein und hatte tatsächlich auch Mode studiert und immer sehr spannende Themen mit reingebracht, die alles andere als. Mit Mode zu tun hatten, sondern wirklich Themen der Gesellschaft. Und mein Ziel ist es, sozusagen mit der Mode aufzuklären, um Themen greifbarer zu machen und halt nicht wie im Frontalunterricht, dass da jemand steht an der Tafel und einem irgendwas erklärt, wo man eh nicht zuhört, sondern dass man plötzlich etwas in der Hand hat, etwas fühlen kann, etwas spüren kann, was riechen kann etc. Und einfach eine andere emotionale Verbindung zum Thema bekommen, das bin so ich.

Domingos: Was genau lernt man denn, wenn man Mode, studiert? Ist das Design, oder Was Anderes?

Claire: Genau also das ist Design hauptsächlich. Wir sagen tatsächlich auch, wir studieren Mode und nicht Modedesign, weil Mode kommt tatsächlich auch so ein bisschen aus dem lateinischen Modus und ist sozusagen ein Spiegel der Gesellschaft. Das bedeutet? Gesellschaftsrelevante Themen beeinflussen uns, kreative Gestalter und wir setzen das dann um in eine textile Sprache. So wird das zumindest bei der Hochschule verstanden, an der ich studiert hab, das ist Pforzheim, die Hochschule. Und deswegen gehen wir da sehr kreativ ran. Wir haben dann wirklich das Thema Malerei, aber auch Skulptur, wir machen ganz viel mit den Händen und lassen etwas entstehen und nähen natürlich auch alles selbst, aber lassen da auch dann tatsächlich neue Materialien entstehen, indem wir Dinge zusammenfügen, die vielleicht auf den ersten Blick gar nicht so zusammen gehören, um einfach zu zeigen, hey, es gibt hier keine Grenzen, es gibt kein normal und das hat mich tatsächlich auch schon von Anfang an geprägt.

Ihr Weg zur inklusiven und barrierefreien Mode

Domingos: Interessant. Und wie bist du dann zum Thema inklusive und barrierefreie Mode gekommen? Hattest du ein Schlüsselerlebnis oder gab es ein anderes Ereignis dazu?

Claire: Tatsächlich immer die Meistgestellte Frage, weil das alle immer brennend interessiert. Und es ist einfach so eine langweilige Antwort. Es war einfach nur ein Zeitungsartikel, der mich irgendwie zum Nachdenken gebracht hat und in diesem Zeitungsartikel ging es um eine Fußballmannschaft, deren Mitspieler ein Bein verloren hatten und der Sport sie wieder dazu gebracht hat mit Teamgeist mehr Selbstbewusstsein aufzubauen, weil man einfach unter sich war und sich gegenseitig unterstützen konnte. Und da habe ich selbst gemerkt, dass ich mich um viele Diversitätsmerkmale kümmere wie das Thema Migrationsbiografie oder um soziale Herkunft oder das Thema LGBT plus Szene. Aber mit dem Thema Behinderung habe ich mich einfach de facto noch nie auseinandergesetzt. Es war jetzt nicht so, dass ich. Die Menschen ignoriert habe oder darüber gelästert hab oder sonst irgendwie n Urteil gefällt hab. Aber. Ich habe sie nie mit einbezogen und das fand ich tatsächlich dann auch nicht so schön und hab gemerkt, nee, das will ich ändern. So hat das angefangen.

Was heißt barrierefreie Mode

Domingos: Was bedeutet barrierefreie Mode eigentlich. Also warum muss Kleidung und für wen muss Kleidung eigentlich barrierefrei sein, warum ist das überhaupt relevant?

Claire: Also ich finde, dass das sehr stark unterschätzt wird. Das ist ja, glaube ich, bei räumlicher und digitaler Barrierefreiheit genauso. Es haben sehr viele Menschen einen Vorteil davon, es gibt meiner Meinung nach mehrere Ebenen, die das Thema Mode betrifft.

Wir haben einerseits die Thematik An und Ausziehen oder ausgezogen werden, wenn man zum Beispiel eine Assistenz hat, aber da fängt es auch schon an, wenn man irgendwie Muskelkater hat, wenn man Sport gemacht hat und dann ganz schwer irgendwie in die Jacke reinkommt, weil die viel zu eng ist. Da hat es tatsächlich schon mal der erste Klick kam. Und dann ging’s natürlich weiter. Ein Freund von mir, der hat Spastik und für den ist es gar nicht so einfach, in Kleidung reinzukommen, weil natürlich sein Muskeltonus wesentlich erhöhter ist. Und da fängt man dann halt wirklich an zu überlegen, OK, welche Stoffe muss ich auswählen, welche verschlusstechnik muss ich auswählen, wenn die Feinmotorik nicht ganz so ausgeprägt ist wie bei anderen. Das heißt habe ich magnetknöpfe, habe ich noch eine extra Lasche an dem Reißverschluss. Kann ich überhaupt solche Dinge nutzen, darf ich Knöpfe überhaupt nutzen und das ist so die erste Stelle.

Und dann geht es meiner Meinung nach auch weiter zu dem Thema schnitt, das ist sozusagen die Form eines Bekleidungsstückes, das bedeutet, wenn ich im Rollstuhl sitze. Und mein T-Shirt ist ganz normal lang fällt es auf, zum Beispiel, dass vorne am Bauch der ganze Stoff aufbauscht. Das bedeutet, dass die Operation sich verändert, der Bauch wird wesentlich voluminöser, genauso wie der ganze Oberkörper, und lässt die Beine noch Maler erscheinen, das heißt, wir haben hier nicht nur den praktischen Hintergrund, sondern auch wirklich den visuellen Hintergrund, und da geht es meiner Meinung nach einfach um barrierefreie Optik und ich finde, das ist auch sehr relevant. Und dann ist. Es meiner Meinung nach auch ein ganz wichtiger Punkt bei Mode. Klar, ich kann es natürlich zu mir nach Hause schicken, wie ist das aber, wenn ich die Sachen dann nicht ganz easy zurückschicken kann oder was passiert, wenn ich dann eher doch der Einzelhandels-Mensch bin, kann ich mit einem Rollstuhl, kann ich mit einem Blindenstock in jedes ganz normale Kaufhaus reingehen und kann gut beraten werden, das ist dann für mich die dritte und letzte Ebene, die ganz wichtig ist, weil hier kann ich fühlen oder spüren was für eine Farbe das ist oder wie der Schnitt ist, passt der wirklich zu mir? Und das sind dann so Themen, die natürlich noch ein bisschen mehr Details erfordern.

Gemeinsamer Prozess der Entwicklung

Domingos: Wenn du solche Kleidungsstücke entwickelst, das tust du ja mit Menschen mit Behinderung gemeinsam. Wie ist da der Ablauf? Wie kann man? Das sich vorstellen.

Claire: Mhm, also das war tatsächlich auch der allererste Schritt, den ich damals gemacht hab. Ich hab diesen Zeitungsartikel gelesen, es war ein Donnerstag und ich weiß noch ganz genau, dass ich dann mich am Freitag hingesetzt hab und gemerkt hab, OK, das ist das Thema, mit dem ich mich befassen will, hab ich mal recherchiert und. Hab das nennt sich Arbeitsgemeinschaft Barrierefreiheit Rhein Neckar und die Sitzen hier bei mir in Mannheim und die achten wie gesagt genau darauf, dass öffentliche Orte, die Straßenbahn et cetera wirklich barrierefrei ist und das wirklich auf sehr viele Dimensionen beachtet.

Und die habe ich einfach angeschrieben, habe gesagt, Hallo ich. Claire, ich habe die Idee gehabt, mich mit dem Thema Inklusion und Barrierefreiheit auseinanderzusetzen, hab aber gar keine Ahnung. Können wir uns mal treffen und dann hat sich tatsächlich der damalige Geschäftsführer mit mir getroffen im café und hat mir jede Frage beantwortet und das war auch einfach ein schönes, schönes Erlebnis, weil ich so gemerkt habe, ich muss gar keine Angst haben vor Fragen, natürlich muss ich dir respektvoll stellen, aber ich kann wirklich einfach drauflos fragen, weil die Person mir gegenüber es auch schätzt, dass ich interessiert bin, dass ich neugierig bin, dass ich erfahren will, wie es dieser Person im Alltag geht.

Und so ging es dann an, dass ich viele Kontakte geknüpft habe und diese Menschen regelmäßig getroffen habe, Fragen gestellt habe, wie zum Beispiel, was stört dich denn an den Kleidungsstücken, die du so im Schrank hast oder was ist dein lieblings Produkt und warum ist das dein Lieblingsprodukt, was muss sich gut anfühlen, was ist wichtig.

Und. Dann sind halt Themen rausgekommen, wie eben das. Dass, wenn man dauerhaft sitzt, aufgrund eines Rollstuhls zum Beispiel, dass die Nieren sehr schnell auskühlen, wenn hinten das Produkt zu kalt ist, aber vorne halt diese ganzen Falten entstehen. So kam das, dann hab ich einfach mal wild drauf los geschnitten und die ersten Produkte gemacht und hab sie dann zum Testen abgegeben. Hab mit den Leuten dann einfach ein paar Stunden verbracht. Sie hatten das an. Und haben mal geguckt, was ist praktisch was sind die Ärmel zu lang, hängen die dann im Reifen drin oder ist es dann mit Blindenstock blöd, weil man nicht mehr greifen kann, weil die Schlaufe sich irgendwie verhängt oder was auch immer?

Ganz viele Themen haben wir dann so ein bisschen abgetastet und dann hab ich sozusagen wieso n Detailkatalog aufgebaut, der sich bewährt hat und daraus entstanden dann die wichtigen Details, die dann auch später Platz gefunden haben in den Produkten.

Domingos: Ja, super spannend. Und ja auch sehr komplex. Also wie ist das für dich und wie ist es für die Teilnehmenden, ist das anstrengend oder habt ihr Spaß dabei?

Claire: Also ich hoffe doch, dass alle Spaß dabei haben. Also ich muss gestehen, für mich war es ganz am Anfang gar nicht so einfach, weil ich einfach gemerkt habe, dass das Feld ist, dass wir auch im Studium Nie Gesprochen haben und es sehr schade ist, weil wenn man sich einmal diese Mühe macht. Als Unternehmen kann man einfach wesentlich mehr Menschen erreichen und wesentlich mehr Menschen die Möglichkeit bieten, sich selbst zu verwirklichen, weil man muss auch einfach eingestehen, dass für viele Mode und Kommunikationsmittel ist, mit denen sie zeigen, wer sie sind, wie sie drauf sind, was ihnen wichtig ist et cetera.

Und dann ist es halt irgendwie schade, wenn nicht jeder daran teilhaben kann und deswegen ganz am Anfang war das schon vom Kopf her für mich eine schwierige Sache, aber es hat einfach Spaß gemacht, bei den Menschen, so herzlich sind die auch einfach. Natürlich ihre Geschichten mit mir geteilt haben, wo ich dann auch zwischendrin da saß und mich gefragt hab, wie böse kann diese Welt eigentlich sein und wie herablassen kann man andere Menschen behandeln.

Und ja, das waren aber glaub ich eher so diese persönlichen Geschichten hinten dran, die einen so ein bisschen auch emotional ergriffen haben, aber so von der Sache ist es schon richtig spaßig, wir machen so eine Art Modenschau. Probieren mal was aus, die Leute gucken so neugierig, kommmen mal her und fragen nach und plötzlich entsteht ein viel größerer Austausch und das Macht es auch einfach spannend.

Warum sollte Kleidung modisch sein

Domingos: Das klingt super. Eine etwas ketzerische frage. Das Kleidung barrierefrei sein muss leuchtet ein. Aber warum sollte sie modisch sein?

Claire: Tatsächlich antworte ich immer gerne mit einer Situation, die man sich in der Schule auch sehr gut vorstellen kann, die vielleicht einige auch erlebt haben, dass wenn man vielleicht einen bestimmten Stil oder bestimmte Marken nicht getragen hat, dass man von seinen Mitmenschen auch ein bisschen ausgelacht wurde oder gehänselt wurde, und das ist definitiv kein schönes Gefühl und dieser Spruch, Kleider machen Leute, ist halt leider irgendwie eine gewisse Wahrheit.

Und genauso wie ich es gerade eben meinte, dass für viele Mode ein Ausdrucksmittel ist, indem sie sich selber zeigen, weil sie vielleicht auch sonderbar sind zum Beispiel, und das ihre Möglichkeit ist, sich auszudrücken und zu zeigen, ich sehe Farben, ich mag Muster, ich kann tolle Sachen kombinieren, da kommen so schöne Sachen daraus und deswegen finde ich einfach, das Mode vor allem barrierefrei und inklusive Kleidung Auch modisch sein soll, weil es gibt so viele junge Frauen und Männer da draußen, die Wert auf ne Optik legen und die nicht auffallen wollen.

Das heißt, natürlich ist ein Rollstuhl ein Indiz dafür, dass man eine körperliche Behinderung hat, aber man möchte auch an manchen Stellen einfach wie alle anderen sein und auch irgendwie modisch sein und das kann ich auch auf ein Stück weit verstehen und möchte einfach nicht immer der Sonderling oder irgendwie anders sein in einem Raum und. Ist das auch einfach eine Art und Weise, deshalb barrierefreie Mode .

Claire folgen

Domingos: Wo kann man denn dir folgen, wenn man sich weiterhin für das Thema interessiert?

Claire: Genau, also ich bin tatsächlich auf Instagram unterwegs, merke aber immer wieder, dass ich da auch einfach so ein bisschen auf Hürden stoße, auch was das Thema Barrierefreiheit tatsächlich angeht. Da berichte ich auch immer recht aktiv aus meinem Alltagsleben, auch was ich gerade mache. Dass ich gerade neue Sachen ausprobiere zum Beispiel oder so.

Und dann bin ich sehr stark auf linkedin aktiv, weil ich einfach den Austausch mit den anderen Menschen sehr wichtig finde. Weil das hab ich vorhin gar nicht angesprochen. Ich lasse ja auch inklusiv produzieren, das bedeutet, meine Produkte werden von Menschen mit Behinderung einer Inklusionswerkstatt hergestellt und da war es mir halt sehr, sehr wichtig, dass die Menschen versicherungspflichtig auf dem ersten Arbeitsmarkt sind, um auch einfach zu zeigen, ein Stück weit so Hey, Menschen mit Behinderung können genauso viel wie Menschen ohne Behinderung, und nur, weil man eine Behinderung hat, heißt es nicht, dass Personen irgendwie weniger Leistung bringen können oder schlechter sind. Und dabei setz ich mich halt auch sehr stark für dieses Thema ein und möchte auch einfach aufklären und Unternehmen zeigen, dass Inklusion und ein inklusives Team wirklich auch ein Erfolgsfaktor sind, weil plötzlich mehrere Blickwinkel gesehen werden und dadurch auch Produkte zum Beispiel vielschichtiger werden und besonderer werden und das auch für den Endkunden am Ende einfach spannend ist. Und deswegen bin ich auch auf linkedin. Und ein Freund und ich, der Bastian. Wir haben tatsächlich auch einen Podcast, der ist auch überall erhältlich, da kann man uns auch ein bisschen kennenlernen, weil da sprechen wir auch eher über Alltagsthemen und zeigen da einmal den Blickwinkel von einer Person mit Behinderung, einmal den Blickwinkel von einer Person ohne Behinderung sprechen zum Beispiel über so Themen wie wie kocht man, wenn man spastiker ist oder noch zu demonstrieren, wie wichtig ist es, sich für die Umsetzung der UN-behindertenrechtskonvention einzusetzen etc.

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