Drücke "Enter", um den Text zu überspringen.

PDF UA, EN 301549, WCAG oder BITV für barrierefreie PDF – was ist der Standard

Dieses Dokument soll eine Entscheidungshilfe für die Frage bieten, ob und welcher Standard bei der Bereitstellung barrierefreier Dokumente bzw. PDFs erfüllt werden sollte.

Die Möglichkeiten von Microsoft Office und Libre Office

Seit der Version 2007 bietet MS Office die Möglichkeit, relativ barrierefreie Dokumente zu erstellen. Unter anderem bietet es folgende Möglichkeiten:

  • Die Auszeichnung von Überschriften und Listen, um blinden Menschen die Orientierung in Dokumenten zu erleichtern.
  • Die alternative Beschreibung von Bildern für Blinde.
  • Den Export in strukturierten PDF – sogenannten tagged PDF – eine Voraussetzung dafür, dass Blinde sinnvoll mit PDFs arbeiten können.

Der Standard PDF UA

PDF Universal Accessibility (PDF UA) ist seit 2012 der technische Standard für barrierefreie PDF-Dokumente. Allerdings geht der eigentliche Standard für barrierefreie PDF-Dokumente über PDF UA hinaus. Für alle öffentlichen Körperschaften der EU ist das die EU-Norm 301 549. EN 301549 ist vor allem im Bezug auf Dokumente und Webseiten eine Adaption der WCAG 2.1 AA.
PDF UA enthält keine Anforderungen an Kontraste, die WCAG und EN aber durchaus.
PDF UA ist also eher als technische Umsetzungshilfe für Software-Anbieter zu verstehen. Die eigentlichen Standards sind in der EU die WCAG 2.1 AA sowie die EN 301549 Kapitel 10 für öffentliche Einrichtungen.

Möglichkeiten PDF UA zu erfüllen

Es gibt nur wenige Programme, um vollkommen PDF-UA-standardkonforme PDF-Dokumente zu erstellen. Eines davon ist Acrobat Pro von Adobe.
Acrobat Professional ist ein Tool, um PDFs professionell zu bearbeiten. Es richtet sich in erster Linie an Grafiker und Desktop Publisher.
Mit Acrobat können Dokumente nachträglich getaggt – also barrierefrei – gemacht werden.
Unter anderem bietet Acrobat folgende Möglichkeiten, die es in MS Office derzeit nicht gibt:

  • Das Auszeichnen von Dokument-Bestandteilen als „artefact“. Das bedeutet, dass diese Elemente von Screenreadern ignoriert werden. Das ist sinnvoll zum Beispiel bei Kopf- und Fußzeilen, Seitenzahlen und anderen Elementen, die für Screenreader-Nutzer beim Vorlesen nicht wichtig sind.
  • – Das nachträgliche Bearbeiten der Struktur-Tags. Dadurch können kleinere Fehler korrigiert werden, die durch die Office-Programme bei der Umwandlung in PDF entstehen.

Das Problem mit den Standards für barrierefreie PDFs

Kommuniziert man aktiv, dass man barrierefreie PDFs zur Verfügung stellt, wird von den Kennern der Materie erwartet, dass PDF UA erfüllt wird. Das ist auf absehbare Zeit mit MS Office nicht möglich. Qua Definition kann ein PDF nur dann als barrierefrei bezeichnet werden, wenn ein öffentlicher Standard erfüllt wird.
Das Tool PDF Accessibility Checker zeigt bei aus MS Office erzeugten Dokumenten einige Fehler an, die aber in der Praxis keine schwerwiegenden Folgen haben.

Handlungsmöglichkeiten

Die folgenden Vorgehensweisen sind denkbar:

  1. Es wird angestrebt, den PDF-UA-Standard vollständig zu erfüllen. In diesem Fall ist es notwendig, entweder mehrere – oder alle – Mitarbeiter im Umgang mit Adobe Acrobat Pro zu schulen oder die Dokumente an einen Dienstleister herauszugeben. Das Training aller Mitarbeitenden ist finanziell und organisatorisch kaum machbar, da die Lernkurve für Adobe Acrobat sehr hoch ist. Auch die Lizenzkosten für Acboat sind kaum zu stemmen. Die Herausgabe erscheint aufgrund des hohen Zeitaufwands und der teils erheblichen Kosten nicht realistisch. Der Vorteil ist, dass die Erfüllung des Standards am leichtesten zu kommunizieren ist.
  2. Die Organisation kommuniziert, dass die Dokumente mit den Möglichkeiten barrierefrei gestaltet wurden, die MS Office bietet. Es kann auch konkret kommuniziert werden, welche Maßnahmen getroffen wurden, zum Beispiel das Einfügen von alternativtexten und anderen Struktur-Tags. Es wird also nicht gesagt, dass ein bestimmter Standard erfüllt wurde, sondern nur, was gemacht wurde, um das Dokument zugänglicher zu machen. Genau genommen könnte ohnehin nur kommuniziert werden, dass ein bestimmter Standard erfüllt wurde. Auch ein Dokument, dass PDF UA erfüllt ist für Menschen mit Lernbehinderung oder eingeschränkter Sprachkompetenz nicht barrierefrei. Die Formulierung „barrierefreie Dokumente“ könnte daher falsche Erwartungen wecken.
  3. Das Dokument kann im Original-Microsoft-Format herausgegeben werden. Fast alle Geräte verfügen über die Möglichkeit, Office-Dokumente anzuzeigen. Es bleibt dann dem Nutzer überlassen, ob er es in PDF umwandelt oder nicht. In diesem Fall entfällt die Befolgung von PDF UA, da es ja kein PDF ist. Für Office-Dokumente gibt es derzeit keinen Standard. Der einzige Vorteil von PDF besteht darin, dass es sich als Quasi-Standard zur Weitergabe von Dokumenten etabliert hat. Darüber hinaus bietet es auch für Menschen mit Behinderung keine Vorteile gegenüber Office-Formaten. PDFs sollen dafür sorgen, dass Dokumente auf allen Betriebssystemen gleich dargestellt werden. Die Anpassbarkeit an unterschiedliche Darstellungsmöglichkeiten ist hingegen eine Basisanforderung der digitalen Barrierefreiheit. Tagged PDFs sollen dieses Problem lösen. Das funktioniert allerdings nur, wenn das Anzeigeprogramm tagged PDF unterstützt. Derzeit tut das nur der Adobe Reader.
  4. Empfehlung

    Unsere Empfehlung lautet, PDF-Dokumente mit Office zu erstellen und dies klar zu kommunizieren. In der Praxis bringt PDF UA wenige Vorteile. Die meisten Dokumente, die mit Office erstellt wurden sind in diesem Format auch völlig ausreichend.
    Für die interne Kommunikation ist die Erfüllung eines bestimmten Standards nicht notwendig. Analoges gilt für Dokumente, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht sind, sondern an Kooperationspartner gehen. Für Broschüren und weitere Dokumente für die breite Öffentlichkeit kann weiterhin der geltende Standard erfüllt werden.